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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verborgensten Winkel von Abersoyte ein geheimnißvolles Wesen hervor, das unhörbar durch die Dunkelheit dahin glitt? Welcher Instinct leitete diesen Schatten durch verschiedene so enge Galerien, daß man sie für unwegsam gehalten hätte? Warum suchte dieses räthselhafte Wesen stets nach den Ufern des Malcolmsees zu kriechen? Warum wendete es sich beharrlich der Wohnung Simon Ford’s, und das mit solcher Schlauheit zu, daß es bis jetzt stets unbemerkt blieb? Warum drängte es sich an die Fenster der Cottage heran und suchte einzelne Bruchstücke der im Hause geführten Gespräche durch die Läden zu erlauschen?
    Und wenn dann einige Worte zu ihm herausdrangen, warum bedrohte seine geballte Faust dann die trauliche Wohnung? Warum entschlüpften seinen wuthverzerrten Lippen dann immer wieder die Worte:
    »Sie und er? – Niemals!«
Siebzehntes Capitel.
Ein Sonnenausgang.
    Einen Monat später – es war am Abend des 20. August – verabschiedeten sich Simon Ford und Madge mit den herzlichsten Glückwünschen von vier Touristen, welche im Begriff standen, die Cottage zu verlassen.
    James Starr, Harry und Jack Ryan wollten Nell nach der Erdoberfläche führen, die ihr Fuß bis jetzt noch nie betrat; in die lichtstrahlende Oberwelt, deren Glanz ihre Augen noch nicht kannten.
    Der Ausflug sollte auf zwei Tage ausgedehnt werden. James Starr wollte, mit Harry’s Uebereinstimmung, daß das junge Mädchen nach einem achtundvierzigstündigen Aufenthalte in der Oberwelt Alles das gesehen habe, was sie in dem Kohlenwerke niemals sehen konnte, d. h. die verschiedensten Bilder von der Erde, so als rolle sich ein bewegliches Panorama mit Städten, Landschaften, Bergen, Flüssen, Seen, Buchten und Meeren vor ihren Augen ab.
    Gerade in diesem Theile Schottlands, zwischen Edinburgh und Glasgow, schien die Natur alle jene Erdenwunder zusammengehäuft zu haben; der Himmel bot ja hier wie überall denselben Anblick, mit seinen wechselnden Wolken, dem heiteren oder verschleierten Monde, der strahlenden Sonne und dem flimmernden Sternenheere.
    Man hatte für den beabsichtigten Ausflug Alles in der Weise verabredet, daß Nell möglichst viel zu sehen bekommen sollte.
    Auch Simon Ford und Madge hätten Nell gar so gern begleitet wir wissen aber, daß sie die Cottage nur sehr ungern verließen, und so kamen sie schließlich zu dem Entschlusse, sich von ihrer unterirdischen Wohnung auch nicht einen Tag zu entfernen.
    James Starr ging mit als Beobachter, als Philosoph, der vom psychologischen Standpunkte sehr gespannt auf die Folgen der fremdartigen Eindrücke, welche Nell erhalten sollte, wartete, während er dabei gleichzeitig hoffte, vielleicht etwas von den geheimnißvollen Ereignissen während ihrer Kindheit zu erfahren.
    Harry fragte sich, nicht ohne einige Befürchtungen, ob aus dem jungen Mädchen, das er liebte, durch die schnelle Einführung in die Außenwelt nicht vielleicht ein ganz anderes werden möge.
    Jack Ryan war lustig wie ein Buchfink, der mit den ersten Sonnenstrahlen hinausflattert. Er hoffte, seine ansteckende, übermüthige Freude werde sich auch den Anderen mittheilen. Das war so seine Art, eine freundliche Aufnahme zu vergelten.
    Nell erschien nachdenklich und in sich versunken.
    James Starr hatte, gewiß nicht mit Unrecht, darauf bestanden, des Abends aufzubrechen, da es für das junge Mädchen unzweifelhaft besser sein mußte, nur durch unmerkliche Uebergänge von der Finsterniß zum Lichte zum ersten Male den Tag zu schauen. Das erreichte man aber durch den Aufbruch am Abend, wobei ihre Augen von Mitternacht bis Mittag sich ganz allmälig an die Helligkeit der Außenwelt gewöhnen konnten.
    Als man die Cottage eben verlassen wollte, ergriff Nell Harry’s Hand und sagte:
    »Harry, ist es denn so nöthig, daß ich unsere Kohlengrube, und wenn auch nur auf wenige Tage, verlassen soll?
    – Ja, Nell, erwiderte der junge Mann, es muß sein! Um Deinet-und um meinetwillen.
    – Und doch, Harry, fuhr Nell fort, fühle ich mich seit dem Tage meiner Errettung durch Dich so glücklich, wie man nur jemals sein kann Du hast mich ja unterrichtet? Ist das noch nicht genug? Was soll ich denn da oben?«
    Harry sah sie schweigsam an. Die von Nell ausgesprochenen Gedanken waren fast ganz auch die seinigen.
    »Meine Tochter, begann da James Starr, ich begreife Dein Zaudern recht wohl. Und doch ist es gut, daß Du mit uns gehst. Die, welche Du liebst, begleiten Dich und werden Dich auch zurückführen. Willst Du dann Dein Leben auch

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