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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Frühstück wollte man sich nach dem Katrinesee begeben. Mehrere Wagen mit dem Geschlechtswappen der Familie Breadalbane – eine Familie, deren in Rob Roy’s Geschichte häufig Erwähnung geschieht – standen zur Verfügung der Reisenden und boten diesen alle Bequemlichkeiten, durch welche sich das schottische Fuhrwesen im Allgemeinen auszeichnet.
    Harry verschaffte Nell, wie es dort Sitte war, einen Platz auf der Imperiale; er und seine Begleiter nahmen neben ihr Platz. Ein stolzer Kutscher in rother Livrée faßte die Zügel seines Viergespanns in der linken Hand zusammen, und das Gefährt setzte sich, dem gewundenen Laufe des erwähnten Stromes folgend, bergaufwärts in Bewegung.
    Die Straße stieg sehr steil empor, wobei sich die Formen der benach barten Berggipfel allmälig zu verändern schienen. Man glaubte die Gebirgskette des jenseitigen Seeufers und die Gipfel des Arroquhar, der das Thal von Inveruglas beherrscht, wirklich wachsen zu sehen. Zur Linken ragte der Ben-Lomond zum Himmel auf und zeigte dabei die schroffen Abhänge seiner nördlichen Seite.
    Die Landschaft zwischen dem Lomond-und Katrinesee trug einen aus geprägten wilden Charakter. Das Thal, in dem sie hinfuhren, begann mit engen Schluchten, welche sich bis zum Glen (Thalmulde) von Abersoyte erstreckten. Dieser Name erinnerte das junge Mädchen schmerzlich an die tiefen Abgründe voller Grauen und Schrecken, in denen sie ihre Kindheit verbracht hatte. James Starr bemühte sich auch, ihre Gedanken durch allerlei Erzählungen abzulenken.
    Diese Gegend war ja so reich an Sagen. An den Ufern des kleinen Sees von Ard spielten sich die Hauptereignisse in Rob Roy’s Leben ab. Hier erhoben sich düstere, mit Kieseln vermengte Kalkfelsen, welche die Zeit und die Atmosphäre zu einem festen Cement verschmolzen hatten. Elende, mehr einfachen Höhlen ähnelnde Hütten, sogenannte »Bourrochs«, lagen da und dort zwischen verfallenen Schäfereien zerstreut. Man hätte nach deren Aeußerem nicht entscheiden können, ob sie Menschen oder wilden Thieren als Wohnstätte dienten. Einige wunderbar ausstaffirte Gestalten mit grauen, durch das rauhe Klima gebleichten Haaren sahen die Wagen mit großen Augen vorüber ziehen.
    »Das ist hier recht eigentlich das Stück Erde, sagte James Starr, welches Rob Roy’s Land zu nennen ist. Hier wurde der bekannte Landvoigt Nichol Jarvie, der würdige Sohn seines Vaters, von Graf Lennox’ Reisigen ergriffen und an seiner Hofe aufgehängt, welche glücklicherweise aus festem schottischen Tuche und nicht aus leichtem, französischem Camelot gefertigt war. Nicht weit von den Quellen des Forth, welche die Bergströme des Ben-Lomond speisen, zeigt man noch die Furth, die der Held passirte, um den Soldaten des Herzogs von Montrose zu entgehen. O, hätte er die finsteren Schlupfwinkel unserer Kohlengrube gekannt, wie leicht wäre er allen Nachforschungen entgangen. Ihr seht, meine Freunde, man kann in diesem nach allen Seiten wunderbaren Lande keinen Schritt thun, ohne auf Erinnerungen aus der Vorzeit zu stoßen, an welchen sich Walter Scott begeisterte, als er in prächtigen Versen des Clans Mac Gregor Aufruf zu den Waffen besang.
    – Das ist Alles sehr schön, Herr Starr, versetzte Jack Ryan, wenn es aber wahr ist, daß Nichol Jarvie an seinen eigenen Hosen aufgehängt wurde, was wird dann aus unserem Sprichworte: »Das muß ein Hauptspitzbube sein, der einem Schotten seine Hosen raubt?«
    – Meiner Treu, Jack, da hast Du recht, erwiderte James Starr auflachend, doch das liefert nur den Beweis, daß unser Landvoigt damals nicht nach der Sitte seiner Vorfahren gekleidet ging.
    – Daran that er sehr unrecht, Herr Starr.
    – Ich widerspreche Dir nicht, Jack!«
    Nachdem das Gespann längs des steilen Strombettes emporgeklommen war, trabte es wieder in ein baumloses, dürres, nur mit spärlichem Haidekraut bedecktes Thal hinab. An manchen Stellen erhoben sich hier isolirte, pyramidenförmige Steinhaufen.
    »Das sind Cairns, sagte James Starr. In früherer Zeit mußte jeder Vorüberkommende einen Stein dahin legen, um den Heros in dem darunter besindlichen Grabe zu ehren. Daher rührt auch der alte gaelische Spruch: »Ein Schurke, wer an einem Cairn vorüber geht, ohne daselbst als letzten Gruß einen Stein nieder zu legen.« Hätten die Nachkommen diese Sitte der Väter bewahrt, so müßten diese Steinanhäufungen jetzt ganze Hügel bilden.
    In dieser Gegend vereinigt sich thatsächlich Alles, die angeborene Poesie der

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