Schwarz-Indien
vernehmen. Man hätte glauben mögen, es habe sich ein furchtbarer Wasserfall in die Kohlengrube ergossen.
Simon Ford und Madge waren eiligst aufgesprungen.
Fast gleichzeitig brausten die Wasser des Malcolmsees auf. Eine hohe Woge stürmte an das Ufer und brach sich an den Mauern der Cottage.
Simon Ford hatte Madge ergriffen und sie hastig nach dem anderen Stockwerke der Wohnung geführt.
Aus allen Theilen der durch jene ungeahnte Ueberschwemmung bedrohten Coal-City ertönten ängstliche Hilferufe. Die Bewohner suchten überall Schutz, sogar auf den hohen Schieferfelsen des Ufers.
Der Schrecken stieg auf’s Höchste. Schon stürzten einige Bergmannsfamilien halb toll nach dem Tunnel, um sich in höher gelegene Etagen zu flüchten. Sie schienen anzunehmen, das Meer sei in die Grube eingebrochen, da deren Galerien bis unter den Nordkanal reichten. Dann mußte freilich die Krypte, so geräumig sie auch war, vollständig unter Wasser gesetzt werden. Kein Bewohner von Neu-Abersoyte wäre in diesem Falle dem Tode entgangen.
Als die ersten Flüchtlinge aber die untere Tunnelmündung erreichten, sahen sie sich Simon Ford gegenüber, der die Cottage ebenfalls schleunigst verlassen hatte.
»Halt, halt, Freunde! rief der alte Obersteiger ihnen zu. Wenn unsere Stadt im Wasser untergehen soll, so steigt die Ueberschwemmung auch so schnell, daß ihr Niemand entgehen kann. Jetzt aber wächst das Wasser nicht mehr. Alle Gefahr scheint vorüber.
– Und unsere Kameraden, die in der Tiefe beschäftigt sind? riefen einige der Bergleute.
– Für sie ist nichts zu fürchten, antwortete Simon Ford, sie arbeiten jetzt in einem Stollen, welcher höher liegt, als das Bett des Sees.«
Die nächste Zukunft sollte dem alten Obersteiger Recht geben. Das Wasser drang zwar sehr plötzlich und heftig ein, hatte aber, als es sich in den tiefsten Höhlungen des Werkes verbreitete, keine anderen Folgen, als daß es das Niveau des Malcolmsees um einige Fuß erhöhte. Coal-City erschien also nicht bedroht, und man durfte hoffen, daß die Ueberschwemmung sich, ohne ein Opfer zu fordern, in den noch unabgebauten Gründen verlaufen werde.
Ob diese Ueberfluthung nun von einer innerhalb des Gesteines angesammelten und plötzlich eingedrungenen Wassermasse herrührte, oder ob sich ein Gewässer von der Erdoberfläche eine Bahn nach unten gebrochen habe, das vermochten weder Simon Ford noch die Anderen zu entscheiden. Jedenfalls aber zweifelte Niemand daran, daß es sich hierbei nur um einen jener unglücklichen Zufälle handle, wie sie in Bergwerken wohl dann und wann vorkommen.
Noch im Laufe desselben Abends wußte man, woran man war. Die Journale der Grafschaft brachten Berichte über das unerhörte Ereigniß, das den Katrinesee betroffen hatte. Nell, Harry, James Starr und Jack Ryan, die in aller Eile nach der Cottage zurückgekehrt waren, bestätigten diese Nachrichten, und vernahmen dagegen zur größten Befriedigung ihrerseits, daß das ganze Unglück sich auf einige materielle Schäden in Neu-Abersoyte beschränkte.
Das Bett des Katrinesees hatte sich also plötzlich geöffnet. Durch einen breiten Spalt drangen dessen Wasser bis in die Grube hinab. Von dem Lieblingssee des schottischen Romandichters blieb – wenigstens in seinem südlichen Theile – kaum so viel übrig, um die Zehen der Seekönigin zu benetzen. Er war zu einem Teiche von wenig Acres Oberfläche reducirt, welche auf der anderen Seite desselben übrig blieben, die eine Bodenerhebung von der trocken gelegten trennte.
Es versteht sich von selbst, daß dieses Ereigniß das größte Aufsehen machte. Vielleicht zum ersten Male entleerte sich ein großer See binnen wenig Minuten in die Eingeweide der Erde. Jetzt hatte man jenen einfach von der Landkarte des Vereinigten Königreiches zu streichen, bis es nach Wiederverschließung der Bodenöffnung – etwa durch öffentliche Subscription – gelang, ihn wieder zu füllen. Wäre Walter Scott noch auf der Erde gewesen, er wäre jetzt vor Gram gestorben.
Immerhin erschien das ganze Vorkommniß erklärlich. Zwischen der tiefen Aushöhlung und dem Grunde des Sees lagerten die secundären Schichten nur in geringer Mächtigkeit in Folge einer besonderen geologischen Anordnung des Felsgesteins.
Wenn dieser Durchbruch aber auch von den Meisten für die Folge einer ganz natürlichen Ursache gehalten wurde, so fragten sich doch James Starr, Simon und Harry Ford, ob demselben nicht vielleicht ein Act der Bosheit zu Grunde liege. Alle
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