Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Gebirgsbewohner weiter auszubilden. Dasselbe zeigt sich in allen Gebirgsländern, welche die Einbildungskraft durch ihre Wunder anregen, und hätten die Griechen ein ebenes Land bewohnt, sie hätten wohl nie die Mythologie des Alterthums erfunden!«
    Unter diesen und anderen Gesprächen rollte der Wagen durch ein enges Thal weiter, das wie geschaffen schien, als Tummelplatz für Gespenster und Kobolde zu dienen. Den kleinen See von Arklet ließ man links liegen und gelangte dann auf eine ziemlich steil abfallende Straße, welche bei dem Wirthshause von Stronachlacar am Katrinesee auslief.
    Dort schaukelte an einem leichten Holzdamme befestigt ein kleiner Dampfer, natürlich mit Namen »Rob Roy«. Die Reisenden bestiegen denselben sofort, da er eben abfahren sollte.
    Der Katrinesee mißt in der Länge nur zehn Meilen und überschreitet niemals eine Breite von zwei Meilen. Auch hier entbehren die ersten Nachbarhügel des Ufers nicht einer gewissen Großartigkeit.
    »Da liegt also der See vor uns, begann James Starr, den man nicht mit Unrecht einem langen Aale verglichen hat. Er soll niemals zufrieren. Darüber weiß ich nichts Näheres, aber man darf nicht vergessen, daß er als Schauplatz der Thaten der Wasser-oder Seekönigin gedient hat. Ich bin fest überzeugt, daß unser Freund Jack, wenn seine Augen scharf genug wären, den leichten Schatten der schönen Helene Douglas, noch über die Wasserfläche ziehend, sehen müßte.
    – Gewiß, Herr James, fiel Jack Ryan ein, warum sollte ich Das nicht sehen? Weshalb sollte die schöne Frau auf den Wellen des Katrinesees nicht ebenso deutlich erscheinen wie die Bergmännchen der Kohlengrube manchmal auf der stillen Fläche des Malcolmsees?«
    Plötzlich ertönten vom Hintertheile des »Rob Roy« die hellen Töne eines Dudelsackes.
    Dort ließ sich ein Highlander in seiner malerischen Nationaltracht hören auf der »Bag-pipe« mit drei Schnarrpfeifen, deren größte den Ton
g
, die zweite
h
und die dritte die Octave der ersten angab. Die Flötenpfeife mit acht Löchern gab die Tonleiter vom großen
G
an bis zur Octave desselben.
    Der Highlander spielte ein einfaches, naives Volksliedchen. Man möchte glauben, daß diese Melodien überhaupt von Niemand componirt, sondern nur aus einer Nachahmung des Rauschens der Winde, des Murmelns der Gewässer und des Säuselns der Blätter entstanden seien. Der Refrain des Liedes nur, der in gewissen Zwischenräumen wiederkehrte, hatte eine sonderbare Klangfärbung. Er bestand aus drei Theilen von je zwei Tacten, und aus einem Theile von drei Tacten. Den Gesängen der alten Zeit widersprechend, bewegte er sich in einer Dur-Tonart, und lautete, in jener Schrift wieder gegeben, welche nicht Notenzeichen, sondern die Intervalle der Töne bietet, folgendermaßen:
     

    Jetzt blühte Jack Ryan’s Weizen. Er kannte das Lied von den schottischen Seen, und unter der Dudelsackbegleitung des Highlanders sang er mit klarer Stimme einen Lobgesang der poetischen Legenden des alten Caledoniens.
     
    Ihr schönen Seen mit ruh’gen Wogen,
    O laßt ihn nie verweh’n,
    Den Sagenkreis um Euch gezogen
    Ihr schönen Schottlandsseen!
     
    Noch zeugt die Spur an eurer Küste
    Von manchem Heldensohn,
    Den uns’res Walter Leier grüßte
    Mit ihrem reinsten Ton.
    Hier mischte seine Zaubermahle
    Der Hexen düst’rer Chor,
    Wo Fingal’s Schatten noch, der fahle,
    Huscht sausend über’s Moor.
     
    Hier tanzen auf den weichen Matten
    Die Nixen ihren Reihn;
    Dort schauen durch den tiefen Schatten
    Die Puritaner d’rein.
     
    Und zwischen wilden Felsenschluchten
    Erzählt’s der Abendwind,
    Wie Waverley nach euren Buchten
    Entführt Mac Ivor’s Kind.
     
    Die Wasserkön’gin kommt geflogen
    Auf ihrem Zelter stolz;
    Diana lauscht wie Rob Roy’s Bogen
    Den Pfeil schnellt durch das Holz.
    Und hallen nicht die Kriegeslieder
    Von Fergus’ Mannen nach,
    Und rufen aus den Bergen wieder
    Der Highlands Echo wach?
     
    Wie weit von euch, ihr Wunderseen,
    Das Schicksal uns verschlägt,
    Das Bild wird nie in uns vergehen,
    Das hier sich eingeprägt.
    O weilet doch, ihr Traumgestalten
    Aus einer schönern Zeit!-
    Dir Caledonien, dem alten,
    Bleibt unser Herz geweiht!
     
    Ihr schönen Seen mit ruh’gen Wogen,
    O laßt ihn nie verweh’n,
    Den Sagenkreis um euch gezogen,
    Ihr schönen Schottlandsseen!
     
    Es war jetzt drei Uhr Nachmittags. Die gleichmäßiger verlaufende Ostküste des Katrinesees hob sich deutlich gegen den Hintergrund mit dem Ben-An und dem

Weitere Kostenlose Bücher