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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ben-Venne ab. In der Entfernung einer halben Meile glitzerte das kleine Bassin, in dem der »Rob Roy« die über Callander nach Stirling gehenden Passagiere absetzen sollte.
    Nell fühlte sich durch die unablässige Aufregung erschöpft. »Mein Gott! O, mein Gott!« Das waren die einzigen Worte, welche über ihre Lippen kamen, wenn sie einen neuen Gegenstand zu Gesicht bekam, der ihre Bewunderung erregte. Sie bedurfte nothwendig einige Stunden der Ruhe, wäre es auch nur, um die Eindrücke von so viel Niegesehenem sich besser in ihrem Gedächtnisse fixiren zu lassen.
    Jetzt hatte Harry ihre Hand ergriffen und sah dem jungen Mädchen tief erregt in die Augen.
    »Nell, meine liebe Nell, begann er, bald werden wir nun in unser finsteres Kohlenwerk zurück gekehrt sein! Wirst Du dort nichts von dem schmerzlich vermissen, was Du während dieses kurzen Verweilens auf der Oberwelt kennen lerntest?
    – O nein, Harry, antwortete das junge Mädchen. Ich werde mich daran erinnern, das ist Alles! Aber ich kehre beglückt und zufrieden mit Dir in unsere geliebte Kohlengrube zurück.
    – Nell, fragte Harry weiter, wobei seine Stimme vergeblich die Erregung seines Innern zu verbergen suchte, wünschtest Du, daß ein engeres, geheiligtes Band vor Gott und den Menschen uns verbinde? Möchtest Du mein Weib werden?
    – Ja, Harry, ja, erwiderte Nell, und sah ihn mit ihren klaren, offenen Augen an, ich will es so gern, wenn Du glaubst, daß ich Dir genügen könnte, Dein Leben…«
    Noch hatte Nell den Satz nicht vollendet, von dem Harry’s ganzes zukünftiges Leben abhing, als sich ein ganz unerklärliches Ereigniß zutrug.
    Obgleich der »Rob Roy« noch eine halbe Meile vom Ufer entfernt war, erlitt er plötzlich einen heftigen Stoß. Der Kiel des Schiffes streifte den Grund und trotz aller Anstrengung vermochte die Maschine jenes nicht wieder flott zu machen.
    Die Ursache dieses Zufalles war darin zu suchen, daß sich der Katrinesee in seinem östlichen Theile plötzlich entleerte, als hätte sich in seinem Bette ein gewaltiger Spalt geöffnet. Binnen wenigen Secunden lag dieser Theil des Sees trocken wie ein flacher Strand zur Zeit der tiefsten Ebbe in den Aequinoctien. Fast sein ganzer Inhalt verschwand in den Eingeweiden der Erde.
    »O, meine Freunde, rief da James Starr, als ob ihm über die Ursache dieser Erscheinung plötzlich die Schuppen von den Augen fielen, Gott rette und beschütze Neu-Abersoyte!«
     

    Simon Ford und Madge flüchten vor der Wasserfluth. (S. 178)

Neunzehntes Capitel.
Eine letzte Bedrohung.
    In Neu-Abersoyte ging die Arbeit auch heute ihren gewohnten Gang.
     

    Das Bett des Katrinesees hatte sich plötzlich geöffnet. (S. 179.)
     
    Weit in der Ferne hörte man den Donner der Dynamitpatronen, welche die Kohlenlager bloßlegten. Hier brachen Spitzhaue und Schlägel das mineralische Brennmaterial los; dort knirschten die Bohrer, welche in dem Sandstein und Schieferfelsen tiefe Löcher aushöhlten. Von anderen Stellen her vernahm man eigenthümliche cavernöse Geräusche. Stöhnend zog die von mächtigen Maschinen angesaugte Luft durch die Wetterschächte, deren Holzthüren kräftig zuschlugen. In den unteren Gängen rollten die mechanisch fortbewegten Hunde mit einer Schnelligkeit von fünfzehn Meilen dahin, während automatische Glocken den Arbeitern signalisirten, sich in die dazu angebrachten Ausschnitte in der Wand zurückzuziehen. Ohne Unterlaß stiegen die Förderkasten hinauf und hinab an den Tauen der großen Trommeln, welche an der Oberfläche standen. Die elektrischen Strahlen leuchteten in vollem Glanze durch ganz Coal-City.
    Der Abbau der Grube wurde mit größtem Eifer betrieben. Die Kohlenschätze flossen reichlich in die kleinen Wagen, welche sich hundertweise in die Förderkasten am Grunde der Aufzugsschächte entleerten. Während ein Theil der Arbeiter nach der Nachtschicht ausruhte, arbeiteten die Tagescolonnen, um nie eine Stunde zu verlieren.
    Simon Ford und Madge saßen nach eingenommener Mahlzeit im Hofe der Cottage. Der alte Obersteiger hielt seine gewohnte Siesta und rauchte ein Pfeifchen mit ausgezeichnetem französischen Tabak. Die beiden Gatten plauderten, d. h. sie sprachen von Nell, ihrem Sohn und James Starr, sowie von dem Ausfluge, den diese nach der Oberwelt unternommen hatten. Wo waren sie jetzt? Was thaten sie? Wie konnten sie so lange ausbleiben, ohne Heimweh nach der Kohlengrube zu empfinden?
    In diesem Augenblick ließ sich plötzlich ein ungeheures Rauschen

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