Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
vorsichtig,
denn wenn er herunterfiel oder sich an den Spitzen verletzte, waren sie wirklich in Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite
ließ er sich behutsam wieder herunter – er rutschte aber mit den Schuhen an dem glatten Metall ab und sprang das letzte Stück.
Ob sein Bein das aushalten würde?
Zehn Schritte entfernt wurde eine Tür geöffnet. Nita erschien und winkte ihm verzweifelt zu, er solle sich beeilen.
Sie schloss die Tür des Archivs hinter ihnen und schaltete das Licht ein. Regale über Regale voller Dokumente in hellen, bunten
Ordnern: gelb, rot, blau, grün.
»Siehst du!«, flüsterte Nita. »Ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll!«
»Verstehe«, flüsterte er fast unhörbar vor lauter Angst, erwischt zu werden. Er ging an den Regalen entlang und zog hier und
da einen Ordner heraus, bis er einen Sinn in dem System erkannte.
»Die Akten der Pflegeeltern stehen hier«, erklärte er, »aber nach Jahren, nicht alphabetisch geordnet. Wir müssen die Unterlagen
der Haywards finden, es muss 2005 gewesen sein …«
|214| Sie suchten, bis Nita triumphierend einen gelben Ordner hochhielt. Zusammen sahen sie den Inhalt durch. Michael J. und Mercia
E. Hayward. Ein Foto der beiden war auch dabei. Mercia war blond, stark geschminkt und blickte kokett in die Kamera. Michael
sah aus wie ein Steuerberater. Das Antragsformular war nicht sehr aufschlussreich. Man erfuhr lediglich, wie lange sie bereits
verheiratet waren – 21 Jahre –, ihre Adresse in Stellenbosch und ihr monatliches Einkommen (über 125.000 Rand). Dann folgten
zwei Dokumente mit dem Logo und dem Briefkopf von Pickford House. Bei dem ersten handelte es sich um eine Bestätigung der
Antragsannahme, unterschrieben von D. R. Holtzhausen. Das zweite war eine Liste von Patienten, die für eine Pflegestelle in
Frage kamen. Es gab sechs Kandidaten, aber von ihnen wurden keine Namen, sondern nur Nummern genannt, die alle mit 05 begannen.
»Die blauen Akten tragen solche Nummern«, bemerkte Nita.
Fieberhaft suchten sie die Ordner durch, bis sie die aus dem Jahr 2005 fanden. »Hier«, sagte er und ging rasch die Reihe entlang,
bis er die erste übereinstimmende Nummer entdeckte. Er zog den Ordner heraus und schlug ihn auf. Ein junges Mädchen, damals
sechzehn Jahre. Debbie Ann Williams. Ein Foto von ihr, ihre Patientenangaben, die Daten ihrer Behandlungen und der Hinweis
auf einen Platz bei Pflegeeltern.
»Fang schon mal an!«, sagte er und reichte Nita den Ordner. Sie nickte, holte ihr Handy aus der Tasche und legte den Ordner
offen auf den Boden, während er den nächsten suchte.
|215| Als er ihr den dritten anreichte, hörten sie Schritte auf dem Flur.
Sie blieben stocksteif stehen und sahen sich an.
Jemand drehte den Türknauf. Stumm formte Nita die Worte:
Keine Sorge
, fischte den Schlüssel aus der Tasche und zeigte ihn October mit schalkhaft funkelnden Augen.
Nie wieder! schwor er sich. Das war das allerletzte Mal!
Von draußen wurde an der Tür gerüttelt.
October hielt die Luft an.
»Ist da jemand?«, fragte eine Männerstimme misstrauisch.
Sah er den Lichtschein, der unter der Tür hindurchfiel?
Wieder wurde an der Tür gerüttelt. Schritte auf dem Flur, die sich von ihnen entfernten.
October atmete ganz langsam aus und merkte, dass ihm der Schweiß ausgebrochen war. Er war zu alt für solche Unternehmungen,
viel zu alt, und er nickte Nita zu, deren Wangen vor Aufregung gerötet waren.
»Komm, wir müssen uns beeilen!«, flüsterte er.
»Keine Angst, er kann von außen nicht aufschließen.«
October schüttelte nur den Kopf, suchte hektisch nach dem nächsten Ordner und legte ihn auf den Boden, so dass sie ihn fotografieren
konnte.
Sie war mit dem letzten beschäftigt, als die Schritte zurückkehrten, diesmal hastig und drängend. Das Geräusch, das dann folgte,
ließ seinen Herzschlag stocken: Ein Schlüsselbund rasselte.
Nita reagierte schneller als er. Sie sah ihn an, legte den Zeigefinger auf die Lippen, bückte sich und raffte hektisch die
Ordner zusammen.
|216| Von draußen wurde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt. Nita schob die Ordner zurück ins Regal, ging rasch auf October zu, zog
ihn hinter die Tür, schlang beide Arme um ihn und hauchte ihm ins Ohr: »Halt mich ganz fest!«
In einer ersten Reaktion wollte er sich losreißen, aber sie war stark und energisch.
Die Tür wurde geöffnet.
Und für Superintendent Johnnie October blieb die Zeit stehen.
11.
Um
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