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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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»Jetzt, wo du’s sagst. Ich glaube, ich habe einfach nicht mehr
     daran gedacht.«
     
    Zuyane kam fast eine Dreiviertelstunde zu spät, den Blick schuldbewusst zu Boden gerichtet und mit einer Körperhaltung, die
     ausdrückte, dass er nicht über seine Gründe reden wollte. October bat ihn, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen.
    »Zuyane, du magst deinen Beruf nicht, stimmt’s?«
    »Wir kannst du so etwas sagen?«, erwiderte der junge Mann empört.
    »Weil ich es dir ansehe. Außerdem weiß ich genau, wie du dich fühlst.«
    Zuyane schüttelte den Kopf und spielte weiterhin den Unverstandenen.
    October ließ nicht locker. »Kann ich dir mal etwas erzählen, Zuyane?«
    Widerstrebendes Nicken.
    »Kennst du Bishop Lavis?«
    »Ja.«
    »Nun, dort bin ich aufgewachsen. Genau neben dem Flughafen. Jeden Nachmittag nach der Schule habe ich zugesehen, wie die Flugzeuge
     gestartet und gelandet sind, und |211| dabei habe ich geträumt, Zuyane. Dass ich die Maschinen eines Tages selbst fliegen würde, als
Flugkapitän
John October. Doch wenn mein Vater mich dort sitzen und träumen sah, ermahnte er mich, dass ein Mann zwar träumen dürfe, aber
     wenn er das Unmögliche träume, bringe das nur Kummer und Sorgen. Und er hatte recht, denn damals nützte das Träumen uns gar
     nichts. Da überwand ich mich und wurde Polizist. Die ersten Jahre waren schwierig. Ich habe die ganze Ausbildung durchlaufen,
     aber das Problem war, dass ich nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Erst als ich zur Kripo kam, begann ich, meinen Job
     zu mögen und in ihm so etwas wie Erfüllung zu finden. Doch dann, vor zehn Jahren, habe ich einen schweren Fehler begangen,
     Zuyane. Anschließend habe ich geglaubt, meine Strafe auf mich nehmen zu müssen. Zehn Jahre lang war ich nichts als ein hochrangiger
     Büroangestellter, und ich habe jeden einzelnen Tag gehasst. Ich hätte schon vor langer Zeit sagen müssen: Genug ist genug.
     Aber irgendwie wird man innerlich so … abgestumpft, wie taub. Die Frage ist, Zuyane: Willst du genauso enden? Willst du mit
     neunundfünfzig zu dir kommen und dich fragen, wo die Jahre geblieben sind? Das Leben ist kurz. Du bist noch blutjung, Zuyane.
     Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Finde heraus, was du tun willst, und tue es, auch wenn es dir anfangs unmöglich erscheint.
     Wir leben in anderen Zeiten, ihr habt heute alle Chancen der Welt, alles ist möglich. Ich sage dir: Was du träumen kannst,
     das kannst du auch tun. Also träume, Zuyane! Durch deine Träume, durch dein Denken kannst du Geschehnisse ins Rollen bringen
     und Ereignisse auslösen. Du setzt Energien frei! Mach etwas aus deinem Leben, Zuyane, etwas Schönes!«
    |212| Zuyane blickte an ihm vorbei und sagte schließlich tonlos: »Ich bin Koch.«
    »Das stimmt, Zuyane. Du hast die Qualifikation. Aber bist du auch mit dem Herzen dabei?«
     
    Nita meldete sich erst um kurz nach zwölf, ein wenig verlegen. »Ich habe heute ziemlich lange geschlafen.«
    »Gut, dann bist du auch schön ausgeruht. Denn heute Abend werden wir wieder ein bisschen rumschnüffeln.«
    »Cool!«, sagte sie. »Wann kommst du mich abholen?«
    »Weißt du, Nita, im Grunde liegt mir die Sache ziemlich schwer im Magen. Bist du sicher, dass du …?«
    »Natürlich, es geht schließlich nicht anders, oder?«
    »Das sage ich mir ja auch, aber mein Gewissen regt sich trotzdem.«
     
    Das Unglück nahm seinen Lauf, als er draußen vor Pickford House im Auto saß und auf sie wartete. Es war Viertel vor zwölf,
     und er stand in den dunklen Schatten der baumbestandenen Straße in Rondebosch. Als sein Handy klingelte, erschrak er so, dass
     er zwei Anläufe brauchte, um den Anruf anzunehmen.
    »Mein Handy hat nicht genügend Speicherplatz, um alles zu fotografieren. Du musst kommen und mir helfen.«
    »Wie denn?«
    »Auf der Rückseite gibt es einen Serviceeingang, da ist niemand. Ich komme hin und schließe dir die Tür auf.«
    Er musste im Dunkeln um das Gebäude herumschleichen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er schließlich den Serviceeingang
     erreichte, ein hohes, schmiedeeisernes |213| Tor mit gefährlichen Spitzen. Er wartete zehn Minuten, aber nichts geschah. Dann klingelte erneut sein Handy.
    »Wo bist du?«
    »Am Serviceeingang.«
    »Du wirst drüberklettern müssen, ich finde den Schlüssel für das Tor nicht. Ich warte am Hintereingang auf dich.«
    Mit seinen fast sechzig Jahren musste er mitten in der Nacht über ein Tor klettern. Er erklomm es langsam und

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