Schwarz wie Samt
mich erwartungsvoll an. Was sollte ich darauf sagen? Das war niederschmetternd. Mir fiel erst einmal gar nichts ein. Nach einer kurzen Pause sagte der Chefarzt: „Eine Chemotherapie halte ich im Moment nicht für angebracht.“ Dieser Satz blieb so im Raum stehen, als sich das Ärzteteam wie von Geisterhand geleitet auf dem Absatz umdrehte und das Zimmer verließ. Warum wollte man mit mir keine Chemotherapie machen?
Das verstand ich nicht. Wenn noch Krebszellen vorhanden waren, musste man sie doch vernichten? Ich lag in meinem Bett und hätte am liebsten losgeheult. Das war also erst der Anfang. Ich hatte geglaubt, diese Operation würde den Krebs beseitigen und mit einer folgenden Chemo wäre dann alles ausgestanden. Ich wollte keine zweite OP und vor allem nicht noch einmal an der gleichen Stelle. Noch hatte ich meine Operationsnarbe nicht gesehen, aber der große Verband, der meinen ganzen Unterleib bedeckte, ließ darauf schließen, dass sie nicht klein war. Die Zeit verging, ohne dass ich in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Schwestern kamen und gingen. Niemand sprach mit mir. Sie waren alle sehr beschäftigt. Es gab wohl viele Neuzugänge auf Intensiv.
Am Nachmittag kam Salman wieder. Er strahlte mich an, als er den Vorhang beiseiteschob. Als er jedoch meine niedergeschlagene Stimmung erkannte, runzelte er die Stirn und sagte: „Es geht dir doch heute schon besser, oder?“ Ich nickte, doch dann kamen die Tränen. Ich konnte sie nicht mehr länger zurückhalten. Salman kam ganz nahe an mein Gesicht und wischte mir mit einem Kleenextuch die Tränen ab. Er sagte: „Du darfst ruhig weinen, das ist hier erlaubt.“ Erst nach ein paar Minuten, konnte ich mit ihm sprechen.
Als ich ihm die Aussage des Ärzteteams wortgetreu wiedergegeben hatte, wurde er blass. „Du musst noch einmal operiert werden?“, fragte er ungläubig. Doch dann siegte schnell wieder sein Optimismus über den Schrecken. „Die Ärzte werden schon wissen, warum sie diese Sache erst später machen wollen. Du musst erst wieder zu Kräften kommen. Und bei einer Chemotherapie würden dir ja alle Haare ausgehen!“, sagte er beschwichtigend und nahm eine meiner Locken in die Hand und wickelte sie um seine Finger. „Das wäre doch schade!“ Dabei lächelte er mich zärtlich an.
„Ja, ich weiß.“, sagte ich, doch ich hätte auch eine Glatze in Kauf genommen, wenn dadurch die Krebszellen absterben würden. Doch das sagte ich nicht. Salman war so voller Zuversicht und seine warmen braunen Augen ruhten auf mir. Dann erhob er sich wieder und sagte: „Ich werde selbst noch einmal mit diesem Arzt sprechen. Er kann mir sicher erklären, was es mit der zweiten OP auf sich hat. Aber vielleicht sollten wir noch eine andere unabhängige Diagnose einholen.“
Ich nickte und kämpfte noch immer mit den Tränen. Salman würde sicher alle Hebel in Bewegung setzen, um die beste Behandlung für mich zu bekommen. Allmählich beruhigte ich mich wieder. Salman wurde schon bald wieder hinausgeschickt und die Schwester erklärte mir, dass ich am nächsten Morgen in ein normales Krankenzimmer verlegt würde. Die Nacht verging schnell. Das Schlafmittel hatte seine Wirkung getan.
Als ich aufwachte, herrschte um mich herum bereits hektisches Treiben. Schläuche wurden abgeklemmt, Elektroden entfernt und Geräte abgeschaltet. Dann fuhr man mich durch viele Gänge und mit einem Aufzug in ein Einzelzimmer. Schon an der Tür wartete Marek mit einem riesigen Blumenstrauß auf mich. Er kam sofort an mein Bett und legte mir die Hand auf die Wange. „Du siehst noch etwas blass aus,“, sagte er. Dann küsste er mich und die Schwestern sahen betreten zur Seite.
Nachdem sich Salman als mein Ehemann vorgestellt hatte, war diese Begrüßung für sie natürlich seltsam. Marek sagte auch gleich: „Man hat mich nicht zu dir gelassen, weil ich nicht mit dir verwandt bin.“ Das hätte ich wissen müssen und die Schwestern informieren sollen. Doch daran habe ich natürlich nicht gedacht. Es war schön, dass er jetzt bei mir war. Auch ihm erzählte ich meine Diagnose und versuchte, nicht wieder in Tränen auszubrechen. Marek erschrak und obwohl er sich kurz abwandte, konnte er seinen Schrecken nicht vor mir verbergen. Sein Blick war leer und seine Stimme brüchig, als er sagte: „Das wirst du sicher überstehen. Du bist noch so jung und schließlich bist Du eine Kämpfernatur.“
Überzeugend klang das für mich nicht. Doch ich versuchte, ihn anzulächeln.
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