Schwarz wie Samt
Entscheidungen, die ich ganz alleine und ohne auf fremde gutgemeinte Ratschläge zu hören, getroffen hatte. Vielleicht hatten die Doktoren doch Recht gehabt mit ihren Vorschlägen, meine Gebärmutter operieren oder sogar ganz entfernen zu lassen. Jetzt war es jedenfalls zu spät. Ich würde für immer unfruchtbar werden und der Wunsch nach einem eigenen Kind war damit unerfüllbar. Wenn ich dann trotzdem weiterleben konnte, würde ich vielleicht eine Adoption versuchen. Das wäre auch eine Lösung, mit der ich leben konnte. Immer wieder keimte zwischen all diesen Gedanken die Idee auf, dass alle meine Vorhaben sowieso ins Leere liefen. Die Diagnose war zu niederschmetternd gewesen, aber die Hoffnung auf ein Weiterleben war stärker, als ich je gedacht hätte.
War es wirklich sinnvoll im Angesicht eines baldigen Todes noch Pläne zu machen? Ich wusste es nicht. Im Augenblick jedenfalls hoffte ich auf das Licht am Ende des Tunnels. Es war zwar noch nicht in Sicht, aber ich wartete sehnlichst darauf.
Inzwischen war es Mitternacht und ich hatte noch keine Auge zu getan. Eine Nachtschwester schaute zu mir herein und brachte mir ein Schlafmittel. Sie sagte: „Sie müssen jetzt Ruhe finden, morgen brauchen sie ihre ganze Kraft.“ Ich befolgte ihren Rat und schluckte die Tablette tapfer hinunter.
Am nächsten Morgen ging alles ganz schnell. Bis ich so richtig zu mir kam, lag ich bereits mit einem grünen Leintuch abgedeckt im Operationssaal. Obwohl ich mich bemühte, das Geschehen um mich herum zu beobachten, nahm ich alles nur schemenhaft wahr. Man hatte mir bereits ein Beruhigungsmittel gespritzt, das seine Wirkung zeigte. Ich bemerkte gerade noch, wie sich ein Arzt mit einer Gesichtsmaske über mich beugte und irgendetwas sagte, doch ich verstand nichts mehr.
Ich hörte unbekannte Stimmen und erwachte in einem abgedunkelten Raum. Eine Schwester redete auf mich ein, doch es gelang mir nicht gleich, die Augen offenzuhalten. Immer wieder fielen sie mir zu und nur mit aller größter Anstrengung gelang es mir zuzuhören, was sie sagte. Ich hörte immer wieder meinen Namen. Man fuhr mich auf einem Bett durch Gänge und dann waren wir plötzlich in einem kleinen Raum, der vollgestellt war mit elektronischen Geräten. Mehrere Leute gleichzeitig begannen an mir zu arbeiten. Alle möglichen Kabel und Schläuche wurden an mir befestigt. Ich nahm es nur mit Verzögerung wahr. Immer wieder lächelte mich ein fremdes Gesicht an. Das war wohl die Intensivstation.
Man hatte mir ja gesagt, dass ich nach der OP dort ein paar Tage verbringen würde. Plötzlich waren alle wieder verschwunden und nur das Flimmern der elektronischen Geräte war noch zu sehen. Ich fühlte gar nichts, keinen Schmerz. Eine innere Leere, die so weiß war wie die Wand vor mir, füllte mich aus. Die Geräusche, dich ich vernahm, waren fremd, undefinierbar.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon so da lag, als eine Schwester an mein Bett trat und sagte: „Sie haben Besuch. Aber nur für kurze Zeit.“ Dann tauchte ein dunkler Kopf hinter ihr auf. Er trug einen Mundschutz und grüne Kleidung, genau wie ich. Lange schwarze Finger legten sich sachte auf meine Hand, die leblos auf der Bettdecke lag. Salman sah mich mit seinen dunklen Augen zärtlich an. Ich konnte förmlich spüren, wie sich eine Wolke von Frieden über mich senkte. Er war gekommen. Er würde mich aus diesem Meer der Einsamkeit erretten. Ich konnte nicht sprechen.
Aber Salman sagte: „Du siehst ganz gut aus. Es scheint, dass du den Eingriff bestens überstanden hast.“ Als ich ihm antworten wollte, legte er mir den Finger auf den Mund. „Du musst nichts sagen, ich werde bald wieder kommen.“ Dann strich er sanft über meine Wange, bevor er den Raum wieder verließ.
Eine Schwester zog einen Vorhang zu und für einen Augenblick dachte ich, dass es nur ein Traum gewesen war. Doch dann hörte ich Salmans Stimme, wie er mit einem Arzt sprach. Sie unterhielten sich auf Englisch und ich verstand nur, dass Salman darauf bestand, mich so bald wie möglich aus dieser Station wieder in ein normales Zimmer zu bringen. Ich fühlte, wie die ganze Last der Verantwortung von mir abfiel. Salman würde sich ab jetzt um alles kümmern. Ich hatte schon ganz vergessen, wie es war, wenn man sich blindlings auf einen Menschen verlassen konnte.
Es schien, als ob keine Zeit vergangen wäre zwischen unserem Leben in Kairo und hier in Berlin. Dabei war er erst zum zweiten Mal in Deutschland. Es musste hier alles
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