Schwarz wie Samt
untersuchte, wurde mir vor Schmerz fast übel. Die Untersuchung meines Oberbauches war so unangenehm gewesen, dass ich ihn am liebsten gebeten hätte, abzubrechen. Er fuhr mit dem Kopf des Ultraschallgerätes und großem Druck immer wieder über die gleichen Bereiche und sah dabei fasziniert auf den Bildschirm. Ich wagte nicht zu fragen, warum er diese Prozedur ständig wiederholte. Als ich endlich aufstehen durfte, nahm er ein Handtuch und rieb mir väterlich den Bauch damit ab, um die Gelrückstände zu beseitigen. Das war mir fast peinlich.
Dr. Everding bat mich wieder in sein Büro und ließ sich schwer auf seinen Sessel fallen. In resigniertem Ton begann er, seine Diagnose zu erklären. Seine Assistentin hatte meine Röntgenbilder seitlich an einen beleuchteten Schaukasten gehängt. Dr. Everding nahm einen langen Stab und beschrieb auf den Aufnahmen, was er sah. Der Kreis, den er umfuhr war angefüllt mit einer undurchdringlichen Masse, die ich für meine Organe hielt. Doch Dr. Everding sagte: „Das hier“, und er zeigte auf die Fläche zwischen meinen Rippen und meinem Unterbauch“ sind Tumorpakete, die sich nicht mehr gegeneinander abgrenzen. Mit anderen Worten, diese Tumore haben die Organe bereits verdrängt. Das erklärt auch ihren aufgeblähten Bauch. Er sah kurz mich und dann Salman an.
Dann wanderte sein Stab auf dem nächsten Röntgenbild zu meiner Wirbelsäule und hier erkannte auch ich einen klar abgegrenzten Tumor, der auf zwei Wirbel drückte: „Dieser Tumor ist für die Rückenschmerzen verantwortlich. Er ist sehr groß und bereits in den Rückenkanal eingedrungen, dadurch ist er inoperabel.“ Die Milz, die ich auf dem Röntgenbild nicht sehen konnte, war um das Vierfache vergrößert. Das hatte Dr. Everding mit dem Ultraschallgerät herausgefunden. Seine Stimme war immer leiser geworden und seinen Blick hatte er irgendwo auf meiner Stirn festgemacht.
Als er verstummte, sah mich Salman fragend an. Er hatte die Diagnose nicht in vollem Umfang verstanden. Doch ich war nicht in der Lage, ihm das jetzt in Englisch zu übersetzen. Der Schock saß tief. Ich musste mich zusammennehmen, um normal weiter zu atmen. Was hatte der Arzt soeben gesagt? Tumorpakete im Oberbauch. Das war wohl mein Todesurteil. Das mussten die Ärzte in der Klinik doch auch schon festgestellt haben. Deshalb hatten sie mich also heimgeschickt. Dr. Everding sah mich geduldig an. Er wartete auf eine Reaktion, denn ich saß wie versteinert vor ihm. Endlich nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte Dr. Everding: „Würden Sie jetzt eine Chemotherapie vorschlagen, oder eine weitere Operation?“
Er schüttelt nur unmerklich mit dem Kopf. Dann sagte er: „Eine Operation halte ich nicht mehr für möglich und auch eine Chemotherapie wird hier keinen großen Einfluss mehr haben. Außerdem könnte ich ihnen einen Termin für eine solche Therapie erst in etwa sechs Wochen anbieten. Ob sie dann noch am Leben sind, kann ich nicht sagen.
Ich erstarrte. 6 Wochen hatte er gesagt. Was sind schon 6 Wochen? Während meine Gedanken ins Leere liefen, hörte ich den Arzt sagen: „Wir nehmen sie stationär auf, um eine Schmerztherapie einzuleiten, die sie dann zuhause weiterführen können. Sie können bereits morgen ein Bett bei uns bekommen.“
Ich nahm Salmans Hand und versuchte, mich zu erheben. Er stützte mich. Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Praxis von Dr. Everding.
Als wir an der frischen Luft waren, musste ich mich übergeben. Ich erbrach mich in eine kleine Hecke, die am Eingang der Klinik wuchs. Salman stützte mich. Er sagte kein Wort und trug mich zum Auto. Während der Fahrt war ich nicht in der Lage, mit Salman zu sprechen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Hände und Füße schienen abzusterben. Ich fühlte nichts mehr.
Salman parkte das Auto so nahe am Haus wie möglich. Dann half er mir heraus und führte mich zum Eingang. Beinahe wäre ich dort noch umgekippt, wenn er mich nicht festgehalten hatte. Ich legte mich auf die Couch. Als Salman sich zu mir setzte, begann ich leise zu weinen. Er streichelte mich und sagte: „Wir werden schon eine Lösung finden. Ich verspreche dir, nach einer alternativen Therapie zu suchen, denn ich glaube, dass diese Klinikärzte einfach keine Vorstellung haben, was dir helfen wird.
Salman meinte es wirklich gut mit mir, aber er hatte die Tragweite dieser schrecklichen Diagnose nicht ansatzweise verstanden. Es gab keine Hilfe mehr, auch keine Alternative. Ich setzte
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