Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trump
Vom Netzwerk:
mich auf und sagte: „Bitte hole mir in der Hotelküche etwas zu essen. Egal was, ich bin hungrig.“ Salman sah mich überrascht an. „Gerne, ich gehe sofort.“
    Als er weg war, stand ich mit wackeligen Beinen auf und ging zum Spiegel. Ich hob meinen Pullover hoch und sah mir meinen Bauch an. Er war aufgedunsen, wie nach einem üppigen Essen, aber ansonsten sah er ganz normal aus. Vielleicht hatte Dr. Everding meine Eingeweide falsch interpretiert. Wie konnte er wissen, dass das alles Tumore waren? Die Haut fühlte sich gespannt an und jede Berührung war unangenehm. Aber das war bei mir nichts Besonderes. Ich war immer schon empfindlich gewesen.
    Was mir wirklich sehr weh tat, war der Rücken. Hier war es klar, dass ein Tumor saß. „Inoperabel“, das war ein schreckliches Wort. So endgültig. Als Salman vor mir ein Tablett abstellt, das alles enthielt, was man sich an herrlichem Essen nur vorstellen kann, begann ich, ihm zu erklären, welche Diagnose mir gestellt wurde. Ich aß von allem etwas und Salman saß mir schweigend gegenüber. Als ich das Tablett wegschob und sagte: „Willst du nicht auch etwas essen?“, stand er auf und drehte mir den Rücken zu. Er war verstummt. Ich sah, wie seine Schultern zuckten. Salman weinte. „Bitte, Salman, was soll ich denn jetzt tun?“, fragte ich leise.
    Er wand sich wieder zu mir um und seine Augen waren mit Tränen gefüllt. „Wie kann der Arzt zu dir sagen, dass du keine 6 Wochen mehr leben wirst? Das ist ungeheuerlich.“
    „Und wenn es die Wahrheit ist?“, fragte ich zurück.
    „Ich kann das nicht glauben und ich will es auch nicht glauben.“, antwortete er mit fester Stimme. Ich werde sofort in die Uni gehen und nach einer alternativen Therapie suchen. Du wirst sehen, schon morgen finden wir ein Medikament oder einen Heiler, der diese Krankheit in den Griff bekommt. Wenn wir in Südafrika wären, würde ich dich zu einem Schamanen bringen, aber das gibt es in Deutschland wohl nicht?“ Salman hatte sich wieder neben mich gesetzt. Er legte seinen Arm um mich und zog mich an sich. Ich fühlte, dass er meine Haare küsste.
    Ich versuchte mich aus dem schrecklichen Selbstmitleid, in das ich gerutscht war, wieder zu befreien. Das konnte so nicht weitergehen. Ich wollte auch nicht in diese Klinik und mich wieder an Schläuche anschließen lassen. Ich musste mich um jeden Preis ablenken von den trüben Gedanken, denn was nicht mehr zu ändern war, damit musste ich jetzt irgendwie umgehen.
    Ich teilte Salmans Vorstellung von einer Wunderheilung nicht. So schön das wäre, plötzlich durch ein wirksames Kraut geheilt zu werden. Ich fand diese Idee einfach zu schön um wahr zu sein. Gerne hätte ich mich an diesen Strohhalm geklammert, aber die Diagnose von Dr. Everding, der ja ein Experte war, war so präzise und gnadenlos ehrlich gewesen, dass ich kaum wagte, daran zu zweifeln. Das mit den 6 Wochen, die er mir noch gab, löste bei mir eine Torschlusspanik aus. Wie konnte er so sicher sein?
    Was sollte ich nur tun, um meinen Abgang so ordentlich wie möglich zu gestalten? Salman konnte mir dabei helfen. Ich würde meine Beerdigung planen, bis in das letzte Detail. Wenn ich dieses Leben schon verlassen musste, dann mit Stil und auf meine Art. Ich befreite mich sanft aus seiner Umarmung und sagte zu ihm: „Ich brauche jetzt etwas zum Schreiben und dann werde ich meine Grabrede aufsetzen.“
    Salman sah mich völlig entgeistert an. „Das ist aber nicht dein Ernst!“, sagte er und stand auf.
    „Doch, genau das werde ich jetzt tun. Ich will keine weiteren Therapien oder Bestrahlungen, die sowieso zu nichts führen.“ Ich griff nach der Morphium-Packung, die neben mir lag und nahm mir zwei Tabletten heraus. Ich schluckte sie ohne Wasser. Salman rannte in die Küche, um mir ein Glas zu holen. Er war wie von Sinnen, als er sah, dass ich meine Absicht in die Tat umsetzen würde.
    Ich holte mir selbst aus dem Schreibtisch einige Bögen und einen Kugelschreiber. Dann begann ich zu kritzeln. Zunächst fiel mir nichts Vernünftiges ein. Wo fängt man an, wenn man sich die Trauernden vorstellt und ihnen eine letzte Mitteilung machen möchte? Es würden sicher nur die engsten Freunde und die Familie da sein. Sie alle kannten nur einen Teil meiner Geschichte. Aber war es nicht besser, sie hörten sie von mir noch einmal, statt eine salbungsvolle Predigt, die mein Leben nur in den besten Farben schillern ließ. Mir war die Grabrede von Ivan noch in bester Erinnerung. So etwas

Weitere Kostenlose Bücher