Schwarz wie Samt
Grab nicht besuchen und mich in die Hölle wünschen. Doch das war mir völlig egal. Es war die gerechte Strafe für das Verbrechen, das sie an mir begangen hatte.
Eigentlich war es nicht mein Ding, mich als Richter aufzuspielen, aber etwas Genugtuung fühlte ich schon, als ich die entsprechenden Sätze niederschrieb.
Salman war aufgewacht und blickte von der Balustrade herunter. „Was machst du denn?“, fragte er, als er mich am Schreibtisch entdeckte. Ich leckte gerade Streifen des Briefumschlages ab, in den ich das Testament gesteckt hatte.
Dann sagte ich: „Ich habe nur mein Testament verfasst, das ich dir zur Aufbewahrung übergeben werde.“ Salman schüttelte unwillig den Kopf und kam die Treppe heruntergerannt. „Ich habe es verschlossen und es darf erst nach meinem Tod geöffnet werden.“, sagte ich und sah in beschwörend an.
Salman nahm den Umschlag mit spitzen Fingern. „Bist du sicher, dass du mir das jetzt wirklich schon geben willst?“, fragte er nachdenklich.
„So lange ich noch klar denken kann, muss ich all die Dinge erledigen, die für mich wichtig sind.“, sagte ich mit Nachdruck in der Stimme. Die Schmerzen waren wieder so stark, dass ich mich hinlegen musste. Ich ließ mir aber nichts anmerken und sagte zu Salman: „Vielleicht kannst du uns einen Kaffee kochen und ein Omlett machen. Ich glaube mehr brauche ich heute nicht zur Frühstück.“
Salman ging in die Küche und machte sich am Herd zu schaffen. Ich ging nach oben und legte mich wieder aufs Bett, nicht ohne vorher noch einmal Morphium zu nehmen. Nachdem wir im Bett gefrühstückt hatten, klingelte es an der Türe. Salman ging, um zu öffnen.
Es war Marek, der mich wieder besuchen wollte. Ich hörte, wie die beiden Männer leise miteinander sprachen. Ich konnte nichts verstehen, aber als Marek die Treppe hoch kam, sah ich an seinem grauen Gesicht, dass Salman ihm erzählt hatte, wie schlecht es mir ging.
Doch Marek war ein guter Schauspieler. Er lächelte sein schönstes Lächeln und begrüßte mich mit den Worten: „Na, Prinzessin, welchen Wunsch darf ich Euch heute erfüllen?“
Ich lächelte zurück. Es war gut, das er mich nicht nach meinem Befinden befragte. So konnten wir locker miteinander plaudern und Marek erzählte mir die letzten Ereignisse. Er hatte eine neue Band gegründet. Seit Iwan nicht mehr am Leben war, hatte er nur als Studiomusiker gearbeitet. Aber das Spielen in einer Band hatte ihm gefehlt. Sie spielten jetzt mehr populäre Songs anstatt Jazz und hatten damit viel mehr Erfolg.
Salman hielt sich diskret zurück und blieb unten in der Wohnung. Marek bemerkte, wie sehr mich das Sprechen mit ihm anstrengte. Mir fehlten immer wieder einzelne Worte und ich dachte, dass das vom Morphium kam. Ich fühlte mich leicht benommen und musste ständig gähnen.
Marek zeigte auf das Buch, das ich gerade las. Es war „Die Möwe Jonathan“. Dieses Buch hatte ich in dem Stapel gefunden, den er mir kürzlich mitgebracht hatte.
Er sagte: „Hat es Dir gefallen?, denn ich kann dir dazu auch noch die Filmmelodie bringen. „Oh ja, bitte bring sie mir!“, sagte ich, ohne zu überlegen. Mit einem kleinen Kuss auf die Stirn verabschiedete sich Marek und ging wieder hinunter. Salman ging mit Marek vors Haus und kam erst nach einer halben Stunde wieder zurück. „Was hast du ihm denn erzählt?“, wollte ich von ihm wissen. „Marek wird noch einmal mit dem Arzt telefonieren. Er kennt ihn gut und vielleicht bekommst du doch noch schnell eine Chemotherapie.“, sagte er und strich mir sanft übers Haar.
„Ich weiß inzwischen nicht, ob ich das überhaupt will.“, sagte ich und Salman setzte sich zu mir aufs Bett. „Du musst alles tun, um wieder gesund zu werden.“, sagte er und sah mich zärtlich an.
Er hatte keine Ahnung, wie es in mir aussah. Ich genoss einerseits seine Fürsorge, aber ich wusste nur zu gut, dass er nicht ewig bei mir bleiben konnte. Die Panik, dass er mich bald wieder verlassen würde, war so groß, dass ich in seiner Gegenwart kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Nach zwei Stunden läutete das Telefon. Es war wieder Marek, der mit Salman sprach. Als er aufgelegt hatte, sah mich Salman mit leerem Blick an. Er wandte sich von mir ab und ging mit langen Schritten durchs Zimmer. Als ich ihn fragte, was passiert sei, antwortete er mit belegter Stimme:
„Der Arzt hat Marek eine Adresse gegeben.“ Dann verstummte er wieder. „Was für eine Adresse?“, fragte ich. Ich spürte wie Salman mit
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