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Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trump
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Klinik wusste man über meinen Zustand Bescheid und da gab es sicher noch mehr Patienten, denen es genau so erging wie mir. Wieder bekam ich eine Panikattacke. Salman fuhr rechts ran, um mich in den Arm zu nehmen. Wir standen am Standstreifen der Autobahn. Der Verkehr brauste an uns vorbei und ich wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Schwindel, Herzstechen und Übelkeit – alles zusammen brachte mich an den Rand des Wahnsinns. Die Angst, sofort zu sterben überkam mich so stark, dass ich nach Luft schnappen musste und nur durch das gute Zureden und Streicheln gelang es Salman, mich wieder zu beruhigen. Als die Attacke vorbei war, fuhren wir weiter. Salman drehte das Radio an.
    Wir mussten öfter anhalten, denn mir wurde beim Autofahren schlecht. Das war so schlimm, dass ich immer befürchtete, sofort meinen Magen entleeren zu müssen. Doch dann kam außer etwas Schleim nichts aus mir heraus. Ich hatte ja auch nichts gegessen. Salman zwang mich, wenigstens aus der Flasche Orangensaft, die er eingepackt hatte, ein paar Schluck zu nehmen.
    Das Wetter war so schön, die Sonne schien und kein Wölkchen war am Himmel zu sehen. Das machte es für mich noch schlimmer. Meine Gedanken kreisten um die Klinik, in die ich jetzt bald eingeliefert wurde. An ein Bett in einem kahlen Zimmer. Ärzte und Schwestern mit besorgten Gesichtern, Sonden in meinem Magen, venöse Zugänge in meinen Armen und Schmerzen, die ich nicht mehr aushalten wollte.
    Immer wieder fragte ich mich, warum ich es so weit hatte kommen lassen, warum ich nicht auf die Ärzte gehört hatte. Ein kleiner Eingriff zur rechten Zeit hätte so viel verhindern können. Ich war wirklich verbohrt gewesen in meinem Wahn unbedingt noch ein Kind zu bekommen. Alle Frauen, die ich kannte, bekamen Kinder, nur ich nicht. Das hatte ich einfach nicht ertragen.
    Salman fuhr sehr diszipliniert, er war ja auch Fahranfänger. Und in Kairo bewegte man sich mit dem Auto meistens auch im Schneckentempo wegen des starken Verkehrs. Er hasste es deshalb, wenn große Autos an ihm vorbeirasten. Die deutschen Autobahnen waren ihm ein Gräuel. Mehrmals sagte er: „Ich weiß nicht, warum die es alle so eilig haben.“
    Bei unserem letzten Halt hatte er seinen Gebetsteppich aus dem Auto geholt und sich am Rande des Parkplatzes niedergelassen. Ich hatte ihn aus einiger Entfernung beobachtet. Obwohl ich an dieses Ritual seit Kairo schon gewohnt war, konnte ich es nicht nachvollziehen. Hier in Deutschland erschien es mir noch abartiger. Trotz meiner Erziehung in einem Mädcheninternat, das von Klosterfrauen geleitet wurde, hatte ich nie Zugang zur Religion gefunden. Die tägliche Frühmesse hatten wir dazu genutzt, unsere Fingernägel zu maniküren.
    An einen Gott zu glauben, der ans Kreuz genagelt worden war, erschien mir einfach unmöglich. In meiner jetzigen Situation wäre es sicher besser gewesen, wenn ich beten könnte. Doch ich kannte keine Gebete und es erschien mir auch sinnlos, einen Gott anzurufen, für den ich mich noch nie interessiert hatte. Das wäre einfach nur verlogen gewesen. Irgendwie musste ich mich damit abfinden, ohne göttlichen Beistand zu sterben. Die Diskussion über den Glauben hatte zwischen mir und Salman meistens darin geendet, dass er konstatierte: „Auch wenn Du nicht an Deinen Gott oder Allah glaubst, er wird für Dich sorgen und Dich gnädig aufnehmen.“ Ich wusste nicht, woher er diese Gewissheit nahm und wagte aber auch nicht, ihm zu widersprechen. Mich trennte nur noch eine kurze Zeit von dieser Erfahrung.
    Als wir im Sauerland ankamen, verdunkelte sich der Himmel. Ein Gewitter zog auf. Die Klinik lag auf einem Berg inmitten eines großen Grundstücks mit altem Baumbestand. Wir fuhren auf einen großen Parkplatz und Salman räumte meinen Koffer aus dem Auto. Es begann zu regnen, als wir uns auf den Eingang zu bewegten.
    Die Empfangshalle glich der eines Hotels und mein Blick streifte einen großen Kronleuchter an der Decke. So sah es normalerweise nicht in einem Krankenhaus aus. Die Dame hinter dem Tresen lächelte mich freundlich an und sagte:
    „Sie sind sicher Frau Arven Martinez.“ Ich nickte nur.
    Dann sah sie Salman an: „Sie sind der Ehemann?“ Ihre Frage klang etwas ungläubig. Salman sagte: „Yes, Ma‘am.“ Dann zog er einen dicken Umschlag aus der Tasche, den er der Frau übergab. Das war meine Anmeldung und der letzte Arztbericht. Sie warf nur einen kurzen Blick darauf und sagte dann zu mir:
    „Wir haben schon ein Zimmer für Sie

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