Schwarz wie Samt
Ivan half, die Spiegel aufzuhängen. Er war sehr geschickt und im Nu waren alle Spiegel platziert. Als wir fertig waren, setzen wir uns hinter das Haus unter die Trauerweide. Ich hatte die Hausbar meines Onkels geplündert, wo ich eine Flasche gekühlten Sekt und Orangensaft gefunden hatte. Wir mischten uns einen Drink.
„Was machst du eigentlich beruflich?“ fragte ich Ivan neugierig. Willst du jetzt auch wie alle anderen nach Westberlin gehen? Ivan grinste breit und sagte: „Das habe ich nicht nötig! Ich bin im Unterhaltungsgeschäft tätig und das zählt hier im Osten genau so viel wie im Westen.“ „Unterhaltungsgeschäft?“, fragte ich nach. „Ja“, sagte Ivan, „ich habe eine kleine Band, mit der ich oft Auftritte habe und wir spielen auch in Studios. Daran wird sich auch nach dem Mauerfall nichts ändern, hoffe ich.“ „Du bist also Musiker“, sagte ich: „welches Instrument spielst du denn?“ „Ich spiele nur etwas Gitarre, aber ich bin der Sänger der Band.“ „Und davon kann man gut leben?“, rutschte es mir heraus. „Na ja“, antwortete Ivan etwas verlegen, „allein davon natürlich nicht.“ Mehr sagte er zu dem Thema nicht. Ich wagte nicht weiter zu fragen.
„Und du, willst du hier studieren?“ fragte er ohne Übergang. „Ja“, antwortete ich etwas zögernd. Ich will schon studieren, aber ich weiß immer noch nicht genau was. Das mit dem Hotel war für mich eine Überraschung“, fügte ich hinzu. „Vorerst kann ich von dem leben, was mir meine Eltern zahlen und was ich vom Hotel bekomme. Außerdem wohne ich umsonst.“, fügte ich selbstsicher hinzu.
Ivan sah etwas betreten auf seine Schuhe. Er gab mir keine Antwort. Ich merkte erst jetzt, dass es für ihn peinlich sein musste, wenn ich mit dem Haus protzte, das eigentlich ihm gehören müsste, hätte sein Vater nicht ausgerechnet mich zur Erbin eingesetzt. Er war mit seinem Sektglas in der Hand aufgestanden und baute sich breitbeinig vor mir auf. „Vielleicht gewährst du mir ab und zu Asyl, wenn ich in Berlin bin?“ sagte er provozierend. „Wo wohnst du denn normalerweise?“ fragte ich neugierig. „Ich lebe in Dessau und bin beruflich immer wieder in Berlin, z.B. diese Woche zu Studioaufnahmen. Da wohne ich dann bei einem Freund.“
„Im Hotel ist immer ein Zimmer für dich frei!“ sagte ich im gleichen provokanten Ton. Obwohl er mir sehr sympathisch war in seiner schnoddrigen Art, wollte ich auf keinen Fall meine kleine Villa mit ihm teilen. Meine Mutter hatte mich nicht umsonst gewarnt. Von ihr wusste ich auch, dass Ivan allein mit dem Pflichtteil, den er erben würde, mit mindestens 500.000 Mark rechnen konnte. Damit konnte er gelassen in die Zukunft blicken. Er brauchte auch nicht Asyl bei mir, er konnte sich im besten Hotel Berlins niederlassen. Doch ich lächelte ihn beim Abschied an und er umarmte mich ganz spontan, bevor er zu seinem Auto ging. „Wir telefonieren!“, rief er mir im Weggehen zu. Ich nickte nur und ging ins Haus.
Als ich wieder allein war, rief ich ihn mir noch mal ins Gedächtnis. Er sah gut aus, hatte Charme und fand anscheinend an mir Gefallen. Vielleicht würde ich das nächste Mal mit ihm ausgehen, um ihn etwas besser kennen zu lernen.
Am nächsten Tag ging ich zur Humboldt-Universität, um mir Informationen über die Studiengänge zu holen. Ich hatte es nicht nur meiner Mutter versprochen, mich einzuschreiben, ich wollte wirklich mit einem Studium anfangen, das mir Spaß machte. Leider war das gar nicht so einfach. Nach langem Überlegen, entschied ich mich für ein Sprachstudium. Ich wollte noch besser Französisch und Spanisch lernen und in der ungeliebten Betriebswirtschaft hatte ich mich für ein Nebenstudium auch eingeschrieben. Damit würden meine Eltern zufrieden sein und ich würde sehen, was mir am besten lag.
Eine Woche später fand ich auf meinem Frühstückstablett, das mir vom Hotel jeden Morgen auf die Terrasse geliefert wurde, einen Zettel mit einer Telefonnummer, die ich unbedingt zurückrufen sollte. Er war von Ivan. Er lud mich zu einem Konzert ein, das sie in Westberlin im „Chestnut“ geben würden. Natürlich hatte ich Zeit, dorthin zu gehen. So schön Berlin war, so langweilig war es für mich im Moment noch, da ich keine Freunde und Bekannten hatte.
Ivans Band war bekannter, als ich gedacht hatte. Ich kam etwas spät und musste mir einen guten Platz erkämpfen. Das „Chestnut“ war eigentlich eine Bar, aus der alle Sitzplätze weggeräumt waren und ich
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