Schwarz wie Samt
Gesicht und die kräftigen Hände, die sie umfassten, gehörten ebenso dazu wie der Kuss, den sie ihm geben musste, um schließlich freizukommen.
Jacob genoss diese Spiele mit seiner Schwester immer häufiger und ausführlicher. Er war bald nicht mehr mit einem Kuss zufrieden zu stellen. Glorias Reize waren nicht zu übersehen und ihre Gegenwehr wurde immer schwächer. Auch sie war neugierig gewesen, wie weit er gehen würde. Trotz des angenehmen Gefühls, das diese Erinnerungen in ihr auslösten, wusste sie, dass die weitere Entwicklung ihrer Beziehung in eine Richtung gegangen war, die sie nicht hätte zulassen dürfen. Jacob verschaffte ihr die Lust, die sie in ihrer Naivität bei Gästen im Hotel schon manchmal durchs Schlüsselloch beobachtet hatte. Und sie hatte schnell erkannt, dass dieses Geheimnis, das sie miteinander verband, gut gehütet werden musste. Jacobs Fantasie kannte keine Grenzen, seine Spiele waren aufregend, und mit der Zeit immer erfüllender. Gloria war sich damals sicher gewesen, dass es keinen anderen Mann für sie geben konnte. Doch als sie schwanger wurde und ihr der gutaussehende Hermann Lassnig einen Antrag machte, griff sie zu. Damit war die schreckliche Angst, eine Erklärung für die Schwangerschaft zu finden, aus der Welt.
Sie mussten sich trennen: Jacob und Gloria gingen von nun an getrennte Wege. Hermann war überglücklich, als seine Tochter Arven auf die Welt kam. Er hatte keine Ahnung, dass er ein Kuckuckskind aufziehen würde. Auch ihr Bruder Jacob fand eine Frau und war schon bald Vater eines Sohnes: Ivan.
Nicht erst seit heute war ihr klar geworden, dass sie eine Schuld auf sich geladen hatte, für die sie jetzt bezahlen musste. Die Halbgeschwister hätten sich nie kennenlernen dürfen. Gloria Lassnig fühlte, dass ihr die Sache völlig entglitten war.
Die folgenden Tage waren ausgefüllt mit Arbeiten für mein Studium. Ich hatte das Sprachstudium zugunsten der Betriebswirtschaft an den Nagel gehängt. Es machte mir immer mehr Spaß mit Zahlen und Tabellen zu arbeiten und meine Prüfungen fielen so gut aus, dass ich es mir leisten konnte, verschiedene Vorlesungen auszulassen.
Wann immer es möglich war, ging ich ins Hotel, um Frau Koch zu unterstützen. Sie hatte mir den Einkauf bereits voll übertragen und war froh, dass Ivan ausgezogen war und sie nicht ständig kontrollierte. Ich versuchte, den Kopf freizubekommen für die anstehenden Frühjahrsarbeiten, und nicht mehr an Marek, Ivan oder Salman zu denken. Trotzdem erwischte ich mich dabei, wie ich jeden Tag die Post nach einem Luftpostumschlag durchsuchte. Salman hatte meinen Brief noch nicht beantwortet und ich fragte mich, warum er mich so lange warten ließ.
Stattdessen erhielt ich eine schriftliche Vorladung zum Erbschaftsgericht. Nachdem diese Dinge bisher meine Mutter geregelt hatte, machte ich den Brief mit gemischten Gefühlen auf. Ivan hatte Klage erhoben und meine gesamte Erbschaft angefochten. Mir wurde Erbschleicherei vorgeworfen. Ich musste mich erst einmal fassen, bevor ich nachdenken konnte, was das eigentlich hieß. Meine Beine zitterten, als ich den Brief auf der Kommode ablegte. Ich würde dieses Mal ohne meine Mutter hingehen und die Sache klären. Einen Anwalt ließ ich mir von Frau Koch empfehlen.
Schon am folgenden Tag bekam ich einen Termin und fuhr in die Innenstadt. Der Anwalt stellte mir viele Fragen, ich konnte gar nicht alle beantworten. Am Ende des Gesprächs wiegte der Rechtsanwalt den Kopf und sagte: „Wenn Sie nicht eine engere Verwandtschaft mit dem Erblasser nachweisen können, wird es schwer fallen, die Anklage abzuwenden. Vielleicht können wir einen Vergleich anstreben, aber ich sehe keine großen Chancen, dass sie alles behalten werden.“
Ich hatte das Gefühl, als würde mir die Erde unter den Füßen weggezogen. Der Anwalt fügte hinzu: „Schließlich ist Ivan sein leiblicher Sohn und sie sind nur eine Nichte, und nach der gesetzlichen Erbfolge...“
Sollte am Ende Ivan alles erben und ich in Berlin auf der Straße stehen? Natürlich gab es noch die anderen Hotels meiner Mutter, aber damit hatte ich bis jetzt nichts zu tun gehabt und ich würde sie nicht um Asyl bitten. Unsere Beziehung war seit der Ohrfeige in Nairobi nicht besser geworden. Ich wollte mit ihr so wenig wie möglich zu tun haben, da sie mich immer noch bevormundete und glaubte, besser zu wissen, was ich tun oder lassen sollte.
Mir fiel ein, dass Salman seit drei Jahren Jura studierte. Er würde
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