Schwarz wie Samt
Ivan.
„Aber Onkel Jacob hat mir doch alles vermacht“, sagte ich ratlos. Meine Mutter sagte darauf nur:
„Das ist richtig, aber es wird trotzdem Probleme geben. Er ist schließlich sein Sohn und hat eigentlich die bessere Position. Es ist nicht verwunderlich, wenn er sein Recht einklagt und sich nicht mit einem Pflichtteil zufriedengibt.“
„Damit hast du also die ganze Zeit schon gerechnet?“, fragte ich irritiert.
„In gewisser Weise schon“, antwortete meine Mutter,
„ich habe gehofft, dass er darauf verzichtet, aber wahrscheinlich ist er so in finanzieller Not, dass er keine andere Wahl hat.“
Unser Gespräch war damit beendet und ich saß völlig erschöpft auf meiner Couch. Konnte eigentlich nie etwas gut gehen in meinem Leben? Musste ich um alles kämpfen? Ivan hatte doch genug Geld geerbt, um sich ein komfortables Leben einzurichten. Warum wollte er mir alles wegnehmen? Ich verstand die Welt nicht mehr.
7. Kapitel
Gloria Lassnig atmete schwer, als sie den Hörer auf die Gabel legte. Nun war es wirklich so weit. Sie würde für das Erbe ihrer Tochter kämpfen müssen. Ivan hatte seine Drohung wahrgemacht und die Klage eingereicht. Sie war erschöpft. All die Streitereien mit Arven wegen dem „Nigger“, wie sie Salman in Gedanken nannte hatten sie zermürbt und nun die Probleme mit Ivan. Hatte sie ihm nicht eine ordentliche Abfindung verschafft, damit er sie und Arven in Ruhe lassen würde. Aber es war wohl von Anfang an sein Ziel gewesen, Arven zu gewinnen. Gloria wusste, was das bedeutet hätte. Ihre eigenen Fehler aus der Vergangenheit hatten sie eingeholt. Ivan war skrupellos genug, die Sache durchzuziehen. Das wusste sie. Wenigsten hatte er sich durch seine Homosexualität selbst ein Bein gestellt. Arven war Gott sei Dank nicht blind und hatte einen gesunden Menschenverstand.
Gloria Lassnig, geborene Tauenziehn war in Ostberlin aufgewachsen. Sie war im letzten Kriegsjahr geboren und hatte Berlin in zerstörtem Zustand in Erinnerung. Die Schutthaufen waren ihr Spielplatz gewesen, entschärfte Munition und Granathülsen ihr Spielzeug. Zusammen mit ihrem älteren Bruder Jacob war sie durch dunkle Keller gekrochen und hatte nach verschütteten Gegenständen gegraben.
Die Eltern waren zu sehr beschäftigt gewesen mit dem Wiederaufbau der Hotels, als dass sie viel Zeit für ihre Kinder gehabt hätten. Sie erfuhren nie etwas von diesen Abenteuern, denn es gab Kindermädchen, die bestechlich waren, die lieber ins Kino gingen, als sich um die Geschwister zu kümmern.
Gloria und Jacob waren ein Geschwisterpaar wie aus dem Bilderbuch: Ihre blonden Locken und leuchtend blaue Augen zogen alle Blicke auf sich, wenn sie Hand in Hand zum Essen im Foyer eines der Hotels erschienen. Hinter vorgehaltenen Händen wurde dann geflüstert: „Ach wie süß!“ oder „Das sind aber nette Kinderchen!“
Gloria konnte sich noch gut daran erinnern, dass ihr Bruder dann immer trotzig schaute und sie hinter sich her zerrte, bis sie auf einem der plüschigen Stühle Platz genommen hatten. Die Eltern legten großen Wert darauf, dass die Sprösslinge frühzeitig das Hotelleben kennen lernten. Schließlich sollten sie später den Aufbau mit übernehmen und die Hotelkette weiterführen. Bei Tisch gab es dann entsprechenden Benimmunterricht und die Gespräche drehten sich um Sorgen, die das Hotel betrafen. Die Kinder wurden nie nach ihren Bedürfnissen gefragt, sie hatten still dazusitzen und zuzuhören.
Erst als Jacob in die Schule kam, wurde er ab und zu nach seinen Lehrern und Noten befragt. Gloria wurde von allen geliebt und verhätschelt. Durch ihr niedliches Lockenköpfchen erhielt sie besonders von ihrem Vater jeden Wunsch erfüllt. Das machte Jacob manchmal eifersüchtig und dann sperrte er seine Schwester in seinem Zimmer ein und neckte sie. Das Necken bestand darin, dass er ihr Kleidungsstücke wegnahm und sie kitzelte, bis sie keine Luft mehr bekam. Gloria genoss diese Spiele mit ihm, weil sie immer auf die gleiche Weise endeten. Jacob wurde bestraft und sie bekam ein Stück Schokolade.
Als sie älter wurden, veränderten sich die Spiele mit ihrem Bruder. Es genügte ihm nicht mehr, ihr Kleidungsstücke wegzunehmen. Es war aufregend, wenn er sie durch das dunkle Zimmer trieb und sie mit ausgestreckten Armen suchte. Wenn er sie fand, drückte er sie an sich und hielt sie fest, sie musste sich mit all ihren Kräften befreien. Er war zärtlich und ungestüm zugleich. Sein heißer Atem in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher