Schwarz wie Samt
geworden war, würde das ja bedeuten, dass er zur gleichen Zeit mit mir und einer anderen Frau zusammen gewesen war. Ein halbes Jahr war ich in Deutschland gewesen und wenn das Kind jetzt schon auf der Welt war... Ich konnte es nicht fassen.
Den Blick meiner Mutter konnte ich nicht länger ertragen, ich ging auf mein Zimmer. Auch zum Abendessen ließ ich mich nicht blicken. Es hatte mich getroffen wie eine Keule. Mein Kopf schmerzte, mein Herz war nur noch ein Stein in meiner Brust und meine Tränen liefen unaufhörlich über mein Gesicht. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Meine Mutter hatte mit dem Dienstmädchen etwas zu Essen heraufgeschickt. Ich ließ sie gar nicht herein.
Als ich am nächsten Morgen mit verquollenen Augen zum Frühstück erschien, sagte mein Vater aufmunternd: „Arven, Liebling, du bist jetzt stolze Hotelbesitzerin.“, dabei schaute er meine Mutter schelmisch an.
„Wieso ich?“ fragte ich zurück, „ich denke Mama gehören die Hotels?“
„Dein Onkel hat in seinem Testament verfügt, dass das Hotel an der Spree dir gehören soll. Das ist zwar das kleinste Hotel, aber das hübscheste.“ Ich sah meine Eltern ungläubig an. Was sollte ich mit einem Hotel? Und dazu noch in Ostberlin!
„Du wirst es verkaufen müssen. Die anderen Hotels werden auch verkauft“, sagte meine Mutter mit Resignation in der Stimme. „Was soll man schon in Ostberlin damit anfangen? Wenn sie im Westen wären, dann wäre alles ganz anders.“
Jedenfalls war ich mit einem Schlag vermögend. Der Schmerz über den Verlust Salmans war aber so heftig, dass ich mich gar nicht freuen konnte. Warum konnte ich das Hotel nicht gegen Salman eintauschen? Meine Stimmung war auf dem Nullpunkt. Mein Vater konnte gar nicht verstehen, dass ich so niedergeschlagen war. Er schob es auf die Klimaänderung. Er sagte:
„Jetzt erholst du dich erst einmal vom Abiturstress und dann machen wir eine Reise. Wohin verrate ich noch nicht.“ Meine Eltern waren ständig auf Reisen. Ab und zu nahmen sie mich mit.
„Aber ich muss mich doch an einer Uni einschreiben“, gab ich zaghaft zur Antwort. „Das hat noch etwas Zeit“, antwortete mein Vater, „Du weißt doch sowieso nicht, was du studieren willst.“
Da hatte er natürlich Recht. Das Betriebswirtschaftsstudium, das meine Eltern vorgeschlagen hatten, interessierte mich überhaupt nicht. Ich musste mir etwas einfallen lassen.
Wenn wir in Kürze wieder verreisen sollten, nahm ich mir vor, mich mit Salman vorher zu treffen. Er musste mir in die Augen sehen und selbst sagen, was passiert war. So würde er mir nicht davonkommen. Meine Niedergeschlagenheit verwandelte sich allmählich in Wut. Wie konnte er mir das antun? Was war das für eine Frau, die er geheiratet hatte? Ich fühlte mich verwundet wie eine angeschossene Antilope.
Bis zu unserer Abreise hatte ich noch eine Woche Zeit. Nach zwei Tagen, ich hatte den Garten nicht aus den Augen gelassen, tauchte Salmans Vater wieder auf. Er begann, die Hecken zu schneiden. Wie zufällig lief ich an ihm vorbei, hielt abrupt an und wandte mich ihm zu: „Ich habe gehört, dass Salman geheiratet hat“, hörte ich mich sagen. „Ich möchte ihm ein kleines Geschenk machen. Können Sie mir seine Adresse sagen?“
Mr. Martinez lächelte. Er verneigte sich und sagte: „Er wohnt jetzt in der Victoria-Road, gleich neben einem Imbissstand, Haus Nummer 23, im ersten Stock.“ Ich bedankte mich bei ihm und ging zurück ins Haus. Ich schrieb mir die Adresse auf. Meine Hände zitterten. Wie sollte ich nur vorgehen? War er dort zusammen mit seiner Frau und seinem Kind? Würde er mich überhaupt hinein lassen? Ich, als Weiße in einem Viertel, in dem nur Schwarze lebten.
Meine Familie würde mich dafür hassen, wenn sie wüssten, was ich vor hatte. Trotz der vielen Ungereimtheiten, beschloss ich, es darauf ankommen zu lassen. Ich brauchte Gewissheit, und zwar sofort. Mein Leben war plötzlich leer und sinnlos ohne Salman. Dieser Verrat war schlimmer, als alles was ich bisher erlebt hatte.
Unseren Chauffeur wollte ich nicht beauftragen. Ich wartete bis alle außer Haus waren, dann rief ich mir ein Taxi und fuhr in die Innenstadt. Dort stieg ich in der Victoria-Road aus. Ich ging zu Fuß bis zur Haus Nummer 23. Es war ein schäbiges, mehrstöckiges Haus. Der Imbiss-Stand daneben verströmte einen muffigen Geruch nach gekochtem Fisch. Zielstrebig ging ich auf den Eingang des Hauses zu. Hier in Nairobi Stadt gab es nur in den Außenbezirken
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