Schwarz wie Samt
ich aus der Klinik trat. Es war elf Uhr und ich würde erst am späten Nachmittag oder Abend Salman wiedersehen. Was sollte ich ihm nur sagen? In meinem Kopf ging es wild durcheinander. Ich nahm ein Taxi und ließ mich nach Hause fahren. Shalima war noch da und putzte gerade unser Schlafzimmer. Ich schickte sie weg. Ich musste allein sein, um nachzudenken.
Obwohl mir die Ärzte einen großen Schreck eingejagt hatten, überlegte ich, mich noch einmal von einem anderen Arzt untersuchen zu lassen. Vielleicht hatten sie sich ja getäuscht? Seit meiner letzten Untersuchung in Berlin war gerade ein halbes Jahr vergangen. Sollten sich in dieser kurzen Zeit die Zellen so stark verändert haben, dass man bereits von „Wucherungen“ sprechen konnte? Ich wollte es mir einfach nicht vorstellen. Schließlich war der operative Eingriff mit der unangekündigten Bauchspiegelung nach meiner Meinung auch völlig übertrieben gewesen. Hatten die Ärzte nicht mein Baby einer großen Gefahr ausgesetzt? Ich wollte dieses Kind unter allen Umständen bekommen. Was würde passieren, wenn ich eine Bestrahlung bekam oder eine Operation um diese Veränderungen zu entfernen? Mein Kind würde sterben. Davon war ich absolut überzeugt. Das durfte nicht passieren. Und es war mir auch völlig egal, ob es Mareks oder Salmans Kind war. Es war das Kind, das ich mir schon immer gewünscht hatte.
Nach langem Überlegen beschloss ich, meine Mutter anzurufen und für ein paar Tage nach Nairobi zu fliegen. Wenn die Stimmung zwischen uns auch nicht wirklich gut war, vielleicht würden sie sich doch freuen mich wiederzusehen und ich brauchte jemanden, der schon einmal eine Schwangerschaft durchgemacht hatte.
Salman kam wie immer sehr spät aus der Universität. Er machte einen müden Eindruck. Als ich ihm erklärte, ich würde für ein paar Tage nach Nairobi fliegen, wirkte er fast erleichtert. Er sagte: „Es wird dir gut tun, wieder Menschen um dich zu haben, die mehr Zeit haben als ich! Aber kannst du in deinem Zustand überhaupt fliegen?“ Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er in den letzten Wochen nur noch für seine Bücher gelebt hatte.
Ich umarmte ihn und sagte: „Wenn erst unser Kind auf der Welt ist, bin ich nicht mehr alleine und habe eine Aufgabe!“ Er antwortete mit überzeugter Stimme: „Dann habe ich auch mehr Zeit für Euch, denn dann ist meine Prüfung vorüber!“
Ich bracht es nicht übers Herz, ihm von der Diagnose zu erzählen, die die Ärzte mir gestellt hatten. Je länger ich darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam sie mir vor. Ich fühlte mich körperlich von Stunde zu Stunde besser, seit ich nicht mehr in diesem Hospital war. Auch der Blick in den Spiegel zeigte mir ein rosiges Gesicht. Sollte ich wirklich so krank sein? Vielleicht war alles nur ein Missverständnis? Ich würde in Nairobi unseren alten Hausarzt aufsuchen und ihn um eine Untersuchung bitten. Ich buchte meinen Flug für das nächste Wochenende, dann wäre ich am Sonntag in Nairobi und würde eine Woche später wieder zurückfliegen. So konnte ich bis zu Salmans Prüfungstermin wieder da sein.
14. Kapitel
Der Flug von Kairo nach Nairobi dauerte nur eineinhalb Stunden. Es war wie ein kurzer Ausflug. Unter uns lag abwechselnd die Steppe und die Savanne. Unser Flugzeug flog so hoch, dass man die Tierherden darunter wie unregelmäßig sich verändernde Flecken wahrnahm.
Ich musste an die Großwildjagd denken, die wir jährlich mit den Freunden meines Vaters veranstaltet hatten. Für mich war es immer schrecklich gewesen, die toten Tiere in unserem Camp zu sehen und die Fotos, die natürlich zusammen mit den Trophäen in unserem Esszimmer aufgehängt wurden. Die Jagdversessenheit meines Vaters war die einzige Eigenschaft, die ich an ihm verabscheute. Er war regelmäßig in einen Jagdrausch verfallen, den auch meine Mutter hasste. In unserem großen Wohnraum zeugten viele Geweihe und einige ausgestopfte Tierköpfe von seiner Leidenschaft.
Während ich noch über mein neues Verhältnis zu meinem Vater nachdachte, setzte der Pilot bereits zur Landung in Nairobi an. Meine Eltern hatten mir den Wagen geschickt und ein Angestellter holte mich am Terminal ab. Ich war froh, dass ich mich um nichts kümmern musste und sofort nach Hause chauffiert wurde.
Es war in Nairobi viel heißer als in Kairo. Hier fehlten die frischen Winde vom Meer. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie gut mir das Meerklima tat. Die stickig heiße Luft in Nairobi schien auf
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