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Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trump
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dramatisches Untergewicht und das bereitet mir etwas Sorge. Ich versprach ihm, zuzunehmen und als er mich verabschiedete sagte er: „Ich rufe sie an, sobald das Ergebnis der Zelluntersuchung vorliegt.“
    Als ich zurück ins Hotel kam, lief mir Frau Koch mit der Berliner Morgenpost in der Hand entgegen. „Hast du heute schon die Zeitung gelesen?“, fragte sie aufgeregt. „Nein, ich war in der Stadt“, antwortete ich, „was ist denn passiert?“ Sie nahm die Zeitung und zeigte auf das Foto eines total zerstörten Autos. Es war ein einziger Blechhaufen zusammengequetscht mit losen Metallteilen und verstreuten Einzelteilen auf der Fahrbahn. Frau Koch sagte:
    „Das war Iwan!“
    „Woher wissen Sie das“, fragte ich.
    „Der Koch war ein Freund von Iwan und er hat es heute Morgen erzählt“, sagte sie, indem sie mir die Zeitung in die Hand drückte.
    „Ist er tot?“, fragte ich, obwohl das Bild keine andere Schlussfolgerung zuließ.
    „Ja“, sagte sie, er hat noch einen Fußgänger mitgerissen, der schwer verletzt wurde, aber er hat es nicht überlebt.“
    Ich setzte mich mit Frau Koch in die Lobby und trank erst einmal eine Tasse Kaffee. Obwohl ich mit Iwan seit dem Prozess keinen Kontakt mehr gehabt hatte, dachte ich fast täglich an ihn. Die Erinnerungen an ihn waren nicht alle schlecht gewesen, war er doch mein Halbbruder und ich hatte gehofft, dass wir vielleicht später wieder Kontakt bekommen könnten. Doch jetzt war es zu spät. So plötzlich wie er in mein Leben getreten war, so plötzlich war er auch wieder verschwunden.
    Frau Koch sagte mit Genugtuung in der Stimme: „Er hat seine gerechte Strafe bekommen für all seine Missetaten!“ Dieses harte Urteil hätte ich ihr nicht zugetraut. War es nicht Iwan gewesen, der ihr viel Arbeit im Hotel abgenommen hatte und sie am Anfang in jeder Hinsicht unterstützt hatte? Natürlich nicht ohne Hintergedanken, das war mir schon klar. Ihr gegenüber hatte er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen.
    Trotzdem rührte mich ihre Solidarität mir gegenüber und auf die Frage, ob sie meine Mutter schon angerufen hatte, schüttelte sie nur den Kopf. „Dann werde ich sie informieren“, sagte ich. Endlich hatte ich einen Grund, sie anzurufen.
    Ich spürte, wie mir dabei leichter ums Herz wurde. Ich hatte meine Mutter seit einem halben Jahr nicht mehr gesprochen. Sie wusste nichts von meiner Fehlgeburt und auch nicht, dass ich in Berlin war. Seit ihrer letzten Äußerung zu meiner Schwangerschaft, hatte ich den Kontakt nach Hause abgebrochen. Ich war froh, wenn ich wieder mit ihr sprechen konnte, denn sie fehlte mir.
    Als ich wieder in meiner Wohnung war, überlegte ich auch, Marek anzurufen. Er war schließlich Iwans bester Freund gewesen. Vielleicht hatte er von dem Unfall noch nichts erfahren. Ich griff zum Hörer und wählte seine Nummer. Er meldete sich mit heiserer Stimme: „Ja, hier Marcel Kretschmar“, beinahe hätte ich wieder aufgelegt, aber dann fiel mir ein, dass das ja sein richtiger Name war.
    Ich sagte: „Marek, hier ist Arven“, gut dass ich dich erreiche.“
    Marek antwortete: „Bist du wieder in Berlin?“
    „Ja, seit ein paar Wochen und ich werde voraussichtlich noch länger bleiben. Aber ich rufe dich an, weil ich dir von Iwans Unfall erzählen wollte.“
    „Ich weiß“, antwortet Marek niedergeschlagen, „es hat ihn nun endgültig erwischt!“
    „Was willst du damit sagen“, fragte ich zurück.
    „Das ist eine längere Geschichte, aber ich erzähle sie dir, wenn du dich mit mir treffen willst.“ Dieser Vorschlag traf mich etwas unerwartet und nach einer kurzen Pause antwortete ich:
    „Du weißt wo du mich findest, ich bin fast immer zu Hause.“
    „Passt es dir heute Abend?“, fragte Marek ohne Zögern.
    „Ja“, sagte ich, „komm vorbei, ich freue mich.“ Als ich den Hörer aus der Hand legte, fühlte ich, wie meine Beine zitterten. Es war seine Stimme, die mich wieder in seinen Bann gezogen hatte. Mareks belegte und heute besonders raue Stimme ging mir noch immer unter die Haut. Ich hatte dieses Gefühl vergessen, das es in mir auslöste, aber jetzt war es wieder da. Ich ging nach oben, um mich kurz hinzulegen. Dieser Tag war wie ein Buschfeuer über mich hinweg gerast und heute Abend würde ich auch noch Marek wiedersehen.
    Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich es wirklich nötig hatte, etwas zu schlafen. Ich war nicht nur leichenblass, meine Augen waren von schwarzen Ringen umgeben, die sich nicht einfach

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