Schwarz
Asphalt. Kara holte gerade aus, da bekam er einen schmerzhaften Tritt in die Nieren, dann traf ihn ein Faustschlag an der Schläfe.
Kara schnappte noch nach Luft, als ihm mit Handschellen die Hände auf dem Rücken gefesselt wurden. Der froschäugige Mann im hellen Anzug, den er zuvor niedergeschlagen hatte, stand auf, wischte sich das Blut vom Gesicht und trat ihn mit aller Kraft in den Bauch. Der neunzig Kilo schwere und eins fünfundachtzig große Kara flog wie ein Sandsack in den Frachtraum eines schwarzen Transporters. Er trat um sich und fluchte, bis ihm einer der Soldaten den Gewehrkolben in den Rücken stieß.
Die stechenden Schmerzen im Bauch und in der Seite ließen nicht nach, er lag zusammengekrümmt auf dem blanken Metallboden und wurde hin und her geworfen, als der Fahrer Gas gab. Immerhin bewirkten die Schmerzen, dass seine Wut nachließ. Er wusste nicht, weshalb die sudanesischen Behörden ihm aufgelauert und ihn dann festgenommen hatten, das war nun auch nicht mehr wichtig – jetzt saß er garantiert in der Klemme. Das dürfte selbst für ihn eine Art Rekord sein. Wegen seines Jähzorns geriet er hin und wieder in Schwierigkeiten, aber nur selten so schnell. Schließlich war er erst vor ein paar Stunden im Sudan angekommen.
Wenig später fuhr der Transporter auf den Parkplatz der Polizeistation von
El-Gism al-sharg.
Kara wurde gepackt und in ein Gebäude geschleppt. Die Schritte hallten von den verwitterten Ziegelwänden düsterer Flure wider, bis eine quietschende Stahltür aufging. Kara wurde in einen Verhörraum gestoßen, in dem ein beißender Gestank herrschte. Er hoffte inständig, dass er nicht irgendeinem sudanesischen Geheimdienst in die Hände gefallen war. Nach Berichten der UN und von Amnesty wandten die außergewöhnlich brutale Verhörmethoden an, viele ihrer Opfer verschwanden spurlos. Die Metallstühle, der Tisch und die nackte Glühbirne waren sicher Zeugen von Gräueltaten gewesen, die auch in der kommenden Nacht durch die Alpträume der in diesem Loch verhörten Gefangenen spuken würden. In diesen Raum kam man nicht, um sich zu amüsieren. Kara hörte die Atemzüge der zwei Soldaten, die hinter ihm standen.
»Mein Name ist Abu Baabas, ich bin Oberst des
Al-amn al-ijabi
«, sagte der kaffeebraune, hagere Mann im hellen Anzug auf Arabisch und zündete sich eine Zigarette an. Er wischte sich das Blut von der gebogenen Nase, auf der Karas Fausthieb eine üble Wunde hinterlassen hatte, und betrachtete dann mit seinen Froschaugen die dunkelroten Fingerspitzen. »Es ist Ihr Glück, dass Sie bei den UN arbeiten.«
»Und du wirst wohl nach dieser Begegnung nirgendwo mehr arbeiten«, drohte Kara und bekam einen Schlag ins Gesicht. Das war natürlich typisch. Kaum im Sudan angekommen, hatte er als Erstes einen Oberst des Aktiven Nachrichtendienstes niedergeschlagen.
Al-amn al-ijabi
war der ideologische Arm des Nachrichtendienstes der Armee und die gefürchtetste und geheimste Organisation im Sudan. Ewan würde einen Wutanfall kriegen. Baabas sah wie einer aus, der mit den Verhörten machte, was er wollte. Kara überlegte, ob sich Baabas wohl am Genick verletzt hatte, er musste den ganzen Oberkörper drehen, um den Kopf zu bewegen.
»Ich bin Leo Kara, Persönlicher Assistent des Generaldirektors des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, Gilbert Birou. Ich bin heute auf Anordnung des Generaldirektors mit einem offiziellen UN-Auftrag in Khartoum eingetroffen. Und wenn mir irgendetwas … Unangenehmes passiert, dann steckst du ganz schön in der Klemme«, verkündete Kara in fehlerlosem Arabisch.
»Einen Offizier des
Al-ijabi
anzugreifen ist im Sudan eines der sichersten Mittel, sein Leben zu verlieren. Du lebst immer noch, und das einzig und allein deshalb, weil ich alles über dich weiß«, sagte Baabas, beugte sich auf seinem Stuhl vor und nahm eine Mappe vom Tisch.
»Geboren 1975 in Helsinki, die Mutter eine britische Sprachwissenschaftlerin, der Vater ein finnischer Forscher, eine jüngere Schwester. Deine Familie zog 1985 wegen der Arbeit deines Vaters nach England. 1989 hast du deine Familie verloren, dann bist du auf die Internatsschule von Winchester und von dort an die Universität Oxford gegangen, um Politik und Internationale Beziehungen zu studieren. Nach Abschluss des Studiums hast du erst auf dem Gebiet der internationalen Krisen- und Konfliktbewältigung in der FirmaGlobal Crisis Group gearbeitet, wo du Länderanalysen angefertigt hast, und dann als
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