Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Führung in einen Waffengang geschickt werden. Die überwiegend jungen Soldaten spürten darüber hinaus auch schon bei ihrer
Ausbildung vor dem Einsatz
so gravierende Defizite, dass sie deswegen beim Wehrbeauftragten vorstellig wurden, der die Klagen sehr kurz und sehr klar zu begründen wusste: »Eine gründliche Vorausbildung kann für die Bundeswehrsoldaten im Einsatz überlebenswichtig sein«, und der die ihm zu Ohren gekommenen Mängel in seinem Bericht detailliert benannte: »… dass nicht genügend geschützte Fahrzeuge in Deutschland zur Vorausbildung für Soldaten, die in einen Einsatz gehen, zur Verfügung stehen, um dort mit ihnen zu üben. Gleiches gilt für die Ausbildung an Kommunikationsmitteln, die die Soldaten letztendlich bedienen müssen, wenn sie im Einsatzgebiet sind. Die Soldaten müssen im Ernstfall wissen, was zu tun ist und wie. Sie sollen schnell und richtig reagieren können … Weiterhin wurde seitens der Soldaten gewünscht, die Einsatzvorausbildung realitätsnaher zu gestalten. Geriete man im Einsatzland in einen Hinterhalt, sei die tatsächliche Anzahl der Angreifer weitaus höher als in den zuvor geübten Szenarien.«
Längst gibt es auch in Deutschland verschiedene Firmen, die eine »realitätsnahe Einsatzvorausbildung« anbieten und dafür auch über erfahrenes Ausbildungspersonal verfügen. In anderen Ländern ist es Standard, dass man für die Ausbildung im Vorfeld von Einsätzen mit solchen Privatfirmen zusammenarbeitet, deren Ausbilder nutzt und sogar mit Unterstützung der Bevölkerung am Ort jene Menschenmassen simuliert, wie sie bei späteren realen Einsätzen den Soldaten gegenüberstehen werden. Wenn es schon Ziel ist, deutsche Firmen mit Aufträgen zu versorgen, dann wäre die Einsatzvorbereitung dafür sehr geeignet – und sie käme, was noch viel wichtiger ist, den Wünschen der Soldaten nach besserer Ausbildung entgegen. Denn im Augenblick stellt sich die Situation, wie der Wehrbeauftragte zusammenfasst, folgendermaßen dar: »… um Defizite in der Vorausbildung im Inland auszugleichen, wurde die Konvoi- und Geländeausbildung teilweise in das Einsatzland verlegt. Dabei kam es aufgrund fehlender Fahrpraxis zu Unfällen, die auch den Tod deutscher Soldaten zur Folge hatten.« Bei solchen Zuständen verwundert es kaum, wenn Soldaten ihre persönlichen Konsequenzen ziehen: »… zwei Soldaten, die als Militärkraftfahrer für den Einsatz in Afghanistan vorgesehen waren, teilten mir in ihren Eingaben mit, dass sie unter Hinweis auf die unzureichende Ausbildung ihre freiwillige Bewerbung für einen Einsatz zurückgezogen hätten.«
Als weiteren Klagepunkt listet der Wehrbeauftragte
Mängel bei der Waffenausbildung
auf: »Sanitätssoldaten sprachen sich dafür aus, in ihrem Fall auch mehr Wert auf die Schießausbildung zu legen. Auch sie müssen selbstverständlich Sicherheit im Umgang mit ihrer Handwaffe erlangen, um für ihren eigenen Schutz sorgen zu können, wenn es notwendig wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie zu einer zusätzlichen Belastung für ihre im Gefecht stehenden Kameraden werden.« Zweifellos ist das häufigste Arbeitsgerät eines Soldaten seine Waffe. Und so ist es schon grotesk, dass Soldaten den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages anschreiben und fast betteln müssen, an ihren Waffen ausgebildet zu werden: »Oftmals, nach Aussage der Soldaten, beschränke sich die Ausbildung auf eine Einweisung in die Handhabung der Waffe und ein kurzes Schießen, wenn eine solche Ausbildung in Deutschland überhaupt stattfinde … So berichtete beispielsweise ein in Kundus eingesetzter Arzt, zuletzt während seiner Grundausbildung im Jahr 1998 mit einer Handfeuerwaffe geschossen zu haben.« Dem Urteil des Wehrbeauftragten zu diesen unfassbaren Zuständen kann man nur vorbehaltlos zustimmen: »Derartige Ausbildungsdefizite sind aus meiner Sicht nicht hinnehmbar.« Doch was mag der Grund sein für diese nicht zum ersten Mal vorgebrachten Beschwerden? Werden vielleicht die Ausbilder selbst falsch oder nicht genügend ausgebildet, bevor man sie als militärisches Führungspersonal einsetzt? Ein solches Urteil liegt nahe, denn wenn man sich die aktuellen Schulungsvorgaben genau ansieht, erklären sich die
Ausbildungsdefizite beim Führungspersonal
von selbst. Vor nicht allzu langer Zeit musste man noch, um militärisch führen zu dürfen, verschiedene Ausbildungsabschnitte durchlaufen. Nur wer diese Ausbildungsabschnitte bestanden hatte, wurde mit
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