Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Führungskonzeption der Bundeswehr. Werden dem Wehrbeauftragten Verstöße dagegen bekannt, recherchiert er die Fakten und Hintergründe anlässlich eigener Truppenbesuche. Darüber hinaus erhält er Jahr für Jahr zahlreiche schriftliche Eingaben von den Soldaten selbst. Unterstützt wird er von etwa fünfzig Mitarbeitern, die mit ihm zusammen Informationen auswerten, Eingaben bearbeiten und Hintergründe aufklären. Obwohl er die Funktion eines Hilfsorgans des Bundestages innehat, darf er dennoch nicht dessen Mitglied sein. Man könnte ihn als Vertreter der Bundeswehr im Bundestag bezeichnen, denn sie ist ja eine Parlamentsarmee und keine Regierungsarmee, weil sowohl ihre Einsätze als auch ihre Kontrolle vom gesamten Parlament festgelegt werden.
Als dieses Buch begonnen wurde, war noch Reinhold Robbe Wehrbeauftragter. Er wurde 2010 aus seinem Amt gewählt und als sein Nachfolger Hellmut Königshaus bestimmt, der im Mai 2010 seine neue Tätigkeit aufnahm. Reinhold Robbe hat sich stets vorbildlich für die Belange der Soldaten eingesetzt, und es ist zu bedauern, dass er nicht mehr im Amt ist. Leider muss hier die Zwischenbemerkung gemacht werden, dass nach seinem Ausscheiden niemand diesen Posten haben wollte: Drei Personen haben nachweislich, obwohl sie ausgewiesene Verteidigungsexperten sind, ein Angebot ausgeschlagen, weil sie andere Karrierepläne haben und ihnen das Amt des Wehrbeauftragten wohl nicht attraktiv genug erschien. Bestätigt nicht selbst dieses kleine Detail erneut die These, dass die politische Führungsebene in Deutschland ein gravierendes Akzeptanzproblem mit der Bundeswehr hat? Warum haben in diesem Fall mehrere Personen, die augenscheinlich befähigt gewesen wären, die Aufgabe zu übernehmen, und die bekundet hatten, dass ihnen das Wohl der Soldaten am Herzen liege, letztlich doch nicht für das Amt zur Verfügung gestanden? So bekam aus Mangel an Alternativen jemand diesen Posten, der vor vierzig Jahren in der Bundeswehr diente und trotzdem von sich behauptet, das Gespür für die Nöte der Soldaten nie verloren zu haben.
Zurück zur Arbeit des Wehrbeauftragten. Gestützt auf eigene Erfahrungen und die Recherchetätigkeit seiner Mitarbeiter, wird in jährlichen Abständen der »Bericht des Wehrbeauftragten«, manchmal auch als »Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten« bezeichnet, der Öffentlichkeit und dem Parlament vorgelegt. Für das Ziel einer breiteren Akzeptanz und tieferen Verankerung der Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft täte die Bundesregierung gut daran, diesem Bericht wesentlich größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als das bisher geschieht, und deutlich mehr Werbemittel und persönliches Engagement für seine mediale Präsentation zur Verfügung zu stellen. Diese mangelnde Aufmerksamkeit hat sich übrigens bei der Präsentation des aktuellen Berichts des neuen Wehrbeauftragten fortgesetzt. Aus diesem Bericht könnte die heranwachsende Generation, ja die gesamte deutsche Bevölkerung ungeschminkt erfahren, wo die Probleme, Sorgen und Nöte der Soldaten und ihrer Familien liegen. Denn das ist es gerade, was die Aussagen des Wehrbeauftragten auszeichnet: Er gibt den Soldaten, die augenblicklich in der Bundeswehr Dienst tun, eine Stimme. Er schildert ohne Beschönigung oder falsche Rücksichtnahme die soldatische Wirklichkeit vor Ort, im Einsatz und mit direktem Praxisbezug.
Und es sind gerade die Soldaten, die auch in diesem Bericht das Thema »Akzeptanz in der Gesellschaft« ganz nach vorne stellen. Dort wird dem Wehrbeauftragten in vielen Nachrichten mitgeteilt:
»… eine weitere von vielen Soldaten mir gegenüber geäußerte Klage ist der fehlende Rückhalt für die Soldaten durch die deutsche Gesellschaft … Für unsere Bundeswehrangehörigen ist es ganz einfach nicht nachvollziehbar, weshalb ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger ihnen so wenig Beachtung und – wie die Soldaten es selber formulieren – ›moralische Unterstützung‹ schenken, obwohl sie ihre Gesundheit und ihr Leben für deutsche Interessen und im Auftrag des Deutschen Bundestages einsetzen.«
In Robbes umfangreichen Materialien werden wie immer eine Vielzahl von Themen angesprochen, die durch Aussagen von Soldatinnen und Soldaten ergänzt, belegt und kommentiert werden. Manche Themen sind naturgemäß sehr fachspezifisch und auch durch die verwendeten Fachausdrücke für einen Laien nur schwer verständlich. Deswegen werden im Folgenden aus diesem Bericht nur einige Themen
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