Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
für jeden einzelnen Soldaten große Bedeutung erlangt hat. In Oberst Kirsch hat der Verband einen äußerst kompetenten, verlässlichen und auch menschlich sehr angenehmen Vorsitzenden.
Gerade Personen, die der Bundeswehr aus Sorge um sie und die ihr Anbefohlenen kritisch gegenüberstehen, können hier bei drohenden Repressalien, bei Mobbing- oder Prozessrisiko Hilfe erwarten, sollten sie die von ihnen erkannten Missstände öffentlich machen wollen oder bereits gemacht haben. Da es für den Einzelnen stets gefährlich ist, auch durch wohlgemeinte und sachlich richtige Kritik an einem bestehenden System zu rütteln, ist schon allein die Existenz des Bundeswehrverbandes eine gute Sache. Dort kommen Menschen mit ähnlichen Problemen und Absichten zusammen und keiner muss sich den Mächtigen schutzlos ausgeliefert fühlen.
Der Verband hat seit seiner Gründung im Jahr 1956 viel erreicht. Er kann seine Forderungen zwar nicht wie Gewerkschaften durch Streiks durchsetzen, da Soldaten kein Streikrecht haben, aber er findet inzwischen auf allen Ebenen Gehör. Bundestag und bisweilen auch die Bundesregierung beteiligen ihn, wenn es um Gesetze geht, die die Belange von Soldaten berühren. Er hat beispielsweise das schon erwähnte Einsatzversorgungsgesetz auf die politische Agenda gesetzt und die Gleichstellung von Frauen in der Bundeswehr sehr unterstützt, indem er sich im Januar 2000 beim Europäischen Gerichtshof für die Entscheidung, Frauen in der Bundeswehr alle Laufbahnen zu öffnen, starkmachte. Es wurde beschlossen, dass die bis dahin praktizierten Beschränkungen auf Sanitätsdienst und Heeresmusikcorps dem Gleichheitsgrundsatz bei der Berufswahl widersprachen und abgeschafft werden mussten.
Der Bundeswehrverband hat auch das Recht, innerhalb von Kasernen Versammlungen abzuhalten, allerdings wurde dieses Recht schon bei seiner Gründung vom Verteidigungsministerium eingeschränkt: Versammlungen dürfen nur abgehalten werden, soweit »politische Fragen in keiner Form behandelt werden«. So schwierig eine Entscheidung darüber auch sein mag, welche Themen politisch und welche nicht politisch sind, so ist der Verband bis heute bestrebt, sich an diesen Grundsatz zu halten. Das Engagement für die Soldaten ist in dieser Institution nach wie vor sehr groß, soziale Anliegen jedweder Art werden unterstützt und, wie die schon erwähnte Trennungsentschädigung für Ehepartner zeigt, auch durchgesetzt.
Die verschiedenen Verteidigungsminister haben dem Bundeswehrverband seit seiner Gründung Respekt gezollt, dennoch ist er in politischen Kreisen nicht unbedingt beliebt. Durch seine Mitgliederstärke gelingt es ihm immer wieder, schon vor einer Präsentation für die Öffentlichkeit an interessante Informationen zu gelangen. Das macht ihn zu einer der wenigen Institutionen, die über Planungen und Projekte innerhalb der Bundeswehr äußerst kompetent Auskunft geben kann. Dazu kommt, dass diese Aussagen – ähnlich dem Bericht des Wehrbeauftragten – aus der Mitte seiner Mitglieder, den Soldaten, kommen, die wohl am besten übersehen können, wie es um die aktuelle Einsatztauglichkeit der Streitkräfte bestellt ist – eine kritische Kompetenz, wie sie in politischen Kreisen und speziell im Verteidigungsministerium nicht immer gerne gesehen wird. Gerade in jüngster Zeit gab es mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Jung hier einige Probleme, dazu in Kürze ein Beispiel.
Vorab noch einige Informationen zu den Ansprechpartnern des Bundeswehrverbandes, denn schließlich soll er als Interessenvertretung ja seine Anliegen auch durchsetzen. An vorderster Stelle steht natürlich der Verteidigungsminister, denn dieser kann viele Dinge in seinem Verantwortungsbereich durch einfache Erlasse und Vorschriften regeln. Neben ihm ist der Innenminister von zentraler Bedeutung, sobald es um die Besoldung, also um das Gehalt der Soldaten geht. Sowohl die diesen Ministern nachgeordneten Staatssekretäre und Ausschüsse (Verteidigungs- und Innenausschuss) wie auch der Haushaltsausschuss kommen als wichtige Ansprechpartner dazu. Im Haushaltsausschuss wird die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr geplant, und nur mit einem ausreichenden Budget kann eine zeitgemäße Ausrüstung und Bewaffnung beschafft und unterhalten werden.
In einer Radiosendung des Bayerischen Rundfunks vom 9. September 1999 stand der damalige Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, Rede und Antwort, auch zum Thema Einsparungen. Kurzfristig
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