Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
ehemalige Generäle der Bundeswehr berief. Zunächst einmal muss man sich fragen, warum sich hochrangige Mitglieder der Truppe erst nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis kritisch äußern, statt während ihrer aktiven Zeit Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Auf unteren Ebenen mag das ja noch verständlich sein, denn dort steht zu befürchten, dass Kritik massive Karrierenachteile mit sich bringt, doch den hoch dekorierten Herrschaften mit ihren besternten Epauletten hätte man gern etwas mehr Courage statt Karrieredenken und etwas stärker ausgeprägten Gestaltungswillen statt Kadavergehorsam schon während ihres aktiven Dienstes unterstellt.
Sei’s drum, die Rechnung von Minister Jung ging trotz dieser eigens gegründeten Kommission von Ex-Generälen nicht auf. Ihr Bericht, bekannt geworden unter dem Namen van-Heyst-Bericht und veröffentlicht im Jahr 2007, spricht detaillierte Empfehlungen zur Reform der Führungsstruktur während der Auslandseinsätze der Bundeswehr aus und unterstützt darüber hinaus die Positionen des Bundeswehrverbandes – bis hin zum Vorschlag der Einsetzung eines Generalstabs:
• »… die Steuerungsverantwortung des Befehlshabers eines Kontingentes für die Kontingentvorbereitung muss gestärkt werden. Es muss ihm ein Besuchs- und Informationsrecht bei den ihm zu unterstellenden Kontingentanteilen eingeräumt werden, damit er ein stets aktuelles Bild von der Einsatzbereitschaft gewinnen kann.«
Sollte man nicht eigentlich voraussetzen können, dass derjenige, der mit den ihm unterstellten Soldaten in ein Krisengebiet ausrückt, seine Truppen kennt, mit denen er unter erschwerten Bedingungen wird zusammenarbeiten müssen? Die im Bericht ausgesprochene Empfehlung verrät eher, dass dies zum damaligen Zeitpunkt nicht der Fall war.
• »… die Kontingente ausschließlich fähigkeitsbezogen zusammenzustellen und ausbilden zu lassen …«
Auch das scheint bis dahin nicht so gehandhabt worden zu sein, weswegen unter einfachen Soldaten seit Langem folgende Erkenntnis herrscht: »Wir haben zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer.« Vor Ort trieben sich nach dem Urteil der Kommission demnach zu viele Personen herum, die gar keinen Auftrag hatten – und zu wenige, die zu viele Aufträge zu erfüllen hatten. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass in Afghanistan hohe Offiziere auf Dienstposten sitzen, für die sie gar nicht ausgebildet sind. Aber ein Krieg unterscheidet sich von Olympischen Spielen! Hier reicht es nicht, einfach nur dabei zu sein, weil für Olympioniken allein diese Tatsache schon ein Leistungsnachweis ist. In jedem Krieg sind bestens ausgebildete Fachleute im Führungskader unabdinglich.
• »… Organisationsbereiche für die fachliche Beratung und Unterstützung einzurichten, die ihre Befehlshaber mit umfassenden und verzugsarmen Informationen aus den Einsatzgebieten versorgen können … bei Einsätzen im Ausland stets taktische Führungskommandos unter der Führung eines Fachmanns einzusetzen …«
Aber wir hören doch landauf, landab, die Bundeswehr verfüge über kompetentes Personal und genügend Experten in den Führungsetagen. Warum müssen diese dann erst »eingesetzt« und »eingerichtet« werden? Bereits jetzt sind die Stabsabteilungen in den Einsätzen total überfüllt, bisweilen kommen vier Personen auf einen verfügbaren Posten. Für die Kommission ein Grund, diese Entwicklung zurückdrehen zu wollen.
• »Auf dieser Grundlage sind die Stäbe auf ein Minimum zu reduzieren.«
Mehr Indianer, weniger Häuptlinge – statt eine Kommission einzurichten, hätte eine Nachfrage beim Bundeswehrverband genügt, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen.
Es berührt einigermaßen seltsam, wenn diese Kommission zum Thema Sicherheit für Leib und Leben jedes einzelnen Soldaten folgende Empfehlung zu Papier bringt: »Die Arbeitsgruppe empfiehlt, Abläufe und Verfahren zur Behebung erkannter Mängel dahingehend zu ändern, dass sie der Priorität der Einsätze mit der unbedingten Verpflichtung zum Schutz von Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten gerecht werden … Auch Risiken von Fehlinvestitionen müssen dabei in Kauf genommen werden, um schnelle Abhilfe zu ermöglichen.«
Ein Eingeständnis, dass nach wie vor zu wenig für diesen Schutz getan wird – und die Empfehlung, dass dringende Investitionen erfolgen müssen, um zumindest übergangsweise für Schutz zu sorgen, dabei nicht auf Produkte, die irgendwann einmal bestellt wurden, zu warten,
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