Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
solange der Staatssekretär Dr. Peter Wichert das Heft in der Hand hielt. Um dies genauer zu beleuchten, soll hier noch einmal kurz auf die Kundus-Affäre eingegangen werden, obwohl sie an anderem Ort schon ausführlich behandelt wurde.
Am 9. September 2009 wurde im Verteidigungsministerium die sogenannte Gruppe 85 installiert. Federführend bei ihrer Gründung war jener Staatssekretär Dr. Peter Wichert, der vor dem Untersuchungsausschuss am 18. März 2010 auf die Frage, wozu denn diese Gruppe eingerichtet wurde, antwortete: Es sollte damit verhindert werden, dass »eine einseitige Untersuchung der NATO in die Welt gesetzt wird, der wir dann hinterhergelaufen wären«.
Im Klartext: Durch gezielte Streuung von Informationen sollte ein Untersuchungsbericht der NATO , also der eigenen Verbündeten, so manipuliert werden, dass darin nur jenes Ergebnis zu lesen sein würde, das man selbst auf die Bahn gebracht hatte und von dem man keine unliebsamen Überraschungen zu befürchten hatte.
Zum Problem wurde, dass parallel zur Gründung der Gruppe 85 Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt waren, aus denen hervorging, welcher Grund tatsächlich hinter der Existenz dieser Gruppe steckte: der Vorsatz, die Einschätzung der NATO , der ermittelnden Staatsanwälte, des deutschen Parlaments, der Medien und der deutschen Öffentlichkeit durch gezielte Fehlinformationen dahingehend zu beeinflussen, dass der Zwischenfall in Kundus, genauer, der Befehl zur Bombardierung, »ermessensfehlerfrei« zustande gekommen sei.
Das war auch der Hintergrund, warum Dr. Wichert dem Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung nahegelegt hatte, eine Information von zentraler Wichtigkeit für die Beurteilung der Sachlage »zunächst wegzulassen«, nämlich dass die geraubten Tanklaster zum Zeitpunkt des Bombardements seit Stunden auf jener Sandbank im Flussbett feststeckten und damit keine wirkliche Gefahr mehr von ihnen selbst ausgehen konnte.
Kurz darauf folgte die zweite Aufforderung, Informationen zu unterdrücken: die Empfehlung an den damaligen Verteidigungsminister Jung, den Bericht der NATO über denselben Zwischenfall dem Deutschen Bundestag nicht zugänglich zu machen. Ein Aufschrei der Empörung wäre spätestens jetzt vom damaligen Verteidigungsminister und seinen anderen Staatssekretären das Mindeste an Reaktion gewesen, was man hätte erwarten können. Um diesen Vorgang noch einmal klar und unmissverständlich zusammenzufassen: Da wurde in einem Ministerium gezielt eine Arbeitsgruppe gebildet, um die Öffentlichkeit und auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Fehlinformationen zu füttern oder die Wahrheit zu unterdrücken, wie man es sonst lediglich aus Unrechtsstaaten kennt.
Doch ist es nicht allein dieser Fall von vorsätzlicher Umgehung der Gesetze und Missachtung demokratischer Regeln, der einen so erschrecken lässt, es ist die Vermutung, die nicht von der Hand zu weisen ist, dass es solche Schattenminister und Strippenzieher wie die Gruppe 85 in vielen Regierungsinstitutionen gibt – nur dass sie dort noch nicht enttarnt sind. Im Verteidigungsministerium wurde jedenfalls der Schattenminister sofort nach Amtsantritt von Karl-Theodor zu Guttenberg aus dem Dienst entfernt und die Gruppe 85 aufgelöst. Und dennoch, auch hier wird in Zukunft die Unterstellung immer im Raum stehen, im Hintergrund zögen weiterhin andere Personen die Strippen als die ins Amt gewählten eigentlichen Verantwortlichen.
Beflügelt wird dieses tiefe Misstrauen durch ein persönliches Erlebnis. Ich selbst wurde schon einmal Opfer solcher Informationsunterschlagungen und Wahrheitsvertuschungen. Unmittelbar nach Erscheinen meines ersten kritischen Buches zum Thema Bundeswehr publizierte das Verteidigungsministerium ein Schriftstück, das mir vorwarf, ich sei »in Sach- und Fachfragen absolut inkompetent«, eine Kritik an der Bundeswehr auszusprechen. Diese Stellungnahme vom 16. Januar 2008, gefordert in der 70. Sitzung des Verteidigungsausschusses und erstellt und vorgetragen von Staatssekretär Dr. Peter Wichert, sollte schnellstens eine Argumentationslinie gegen das sich anbahnende Medieninteresse am Buch aufbauen, um staatsmännisch gelassen auf jegliche Kritik reagieren zu können. Vor allem wurde versucht, meine Person zu diskreditieren, indem man in meiner früheren Einheit eine Befragung über mich durchführte. Ein Kamerad von damals schilderte mir die Vorgehensweise.
»Nahezu jeder Soldat wurde befragt,
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