Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
ohnehin niemand die Realität auf Dauer verbergen kann, sie aber immer wieder gezwungen werden, nur die halbe Wahrheit zu berichten, werden sie von Mal zu Mal unglaubwürdiger, nicht nur in politischen Kreisen, sondern selbst beim interessierten Staatsbürger. Zudem wird in diesem Zitat verklausuliert zugegeben, dass kritische Aussagen zu persönlichen Nachteilen führen. Und es geht so weit, dass die Pressefreiheit, die innerhalb der Bundeswehr ja nicht außer Kraft gesetzt ist, durch Kommandeure eingeschränkt wird.
Diese von vielen Institutionen und Verantwortlichen (Bundeswehrverband, van-Heyst-Bericht , Wehrbeauftragter, um nur einige Beispiele zu nennen) geteilte Ansicht bestätigt die Richtigkeit des Gesamturteils über die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr: Sie ist in ihrer Gesamtheit ein hervorragend organisierter Apparat zur Vertuschung und Verschleierung unliebsamer Fakten.
Doch wie kam es zu dieser Fehlentwicklung, und, vor allem, warum ändert kein Verantwortlicher etwas daran? Antwort gibt ein Blick auf das Führungsverhalten an der Spitze der Bundeswehr.
6.5 Der Fisch stinkt immer vom Kopf her
Auch hierzu erst einmal ein Statement aus dem van-Heyst-Bericht :
»Es wird empfohlen, der ›Führungskultur‹ in der Bundeswehr in Ausbildung und Erziehung der Führer und Unterführer verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen.«
Im Klartext: Ohne vernünftig ausgebildete militärische Führer auf allen Ebenen ist nicht viel zu erreichen – und die, die vorhanden sind, müssen dringend besser ausgebildet werden. Denn oftmals gehen fragwürdige Entscheidungen vom Führungspersonal selbst aus.
Hier zwei besonders krasse Belege für diese Tatsache, eines über das Führungsverhalten von Vorgesetzten im Einsatz und eines über beklagenswertes Führungsverhalten am Heimatort.
Beide Beispiele sind dem Bericht des ehemaligen Wehrbeauftragten Reinhold Robbe entnommen, und folgende Zitate sind wörtliche Übernahmen aus diesem Dokument.
»Soldaten müssen darauf vertrauen können, dass ihre Vorgesetzten sie nicht unnötig Gefahren aussetzen, nur dann werden sie auch in kritischen Situationen folgen. Leider genügten im Berichtsjahr selbst höhere Vorgesetzte nicht immer diesen Ansprüchen … So erklärte ein Kommandeur im Dienstgrad Oberst im Rahmen einer Besprechung zur Planung eines Landmarsches von Kabul nach Baiman, er werde im ersten Fahrzeug sitzen, um eine ›bessere Aussicht‹ zu haben und weil bei Überfällen in der Regel nicht das erste, sondern das zweite oder dritte Fahrzeug angesprengt werde. Als während des Marsches eines der Fahrzeuge ausfiel, entschied der Stabsoffizier entgegen der bestehenden Befehlslage, die Besatzung des ausgefallenen Kraftfahrzeuges mit einem angemieteten zivilen, nicht geschützten Minibus, von einem unbekannten einheimischen Fahrer bei unbekannter Routenführung in einer mehrstündigen Fahrt getrennt vom Konvoi nach Kabul fahren zu lassen, obwohl in Bagram bei rechtzeitiger Auftragserteilung eine Task Force mit geschützten Fahrzeugen zeitgerecht bereitgestanden hätte.«
Ein Vorgesetzter mit Vorbildfunktion hat hier bewusst und öffentlich die ihm anvertrauten Soldaten großer Gefahr ausgesetzt. Gerade in brisanten Situationen ist ein derartiges Verhalten für die Vertrauensbildung zwischen Abhängigen und Führung verheerend. Die Tatsache, dass hier Soldaten in einer Gefahrensituation in unbekanntem Gelände und unbekannter Begleitung ungeschützt zurückgelassen wurden, ist eigentlich bereits Grund genug, diese Führungsperson aus dem Vorgesetztenverhältnis zu entlassen. Als einfacher Soldat verliert man verständlicherweise nicht nur jedes Vertrauen in die Führungsfähigkeiten der Vorgesetzten, wenn einem so etwas zu Ohren kommt, sondern man beginnt auch, »den Feind in den eigenen Reihen« zu suchen.
Doch nicht nur in einem Einsatzland geschehen solch unfassbare Dinge, auch mancher Vorgesetzte zu Hause zeigt in Verbindung mit einem Einsatz seiner Soldaten im Ausland ein äußerst fragwürdiges Führungsverhalten, wie der folgende Beleg aus dem Bericht des Wehrbeauftragten zeigt.
»Ein Hauptmann reagierte auf die Meldung, dass zwei seiner Soldaten aus psychischen Gründen aus Kundus nach Deutschland zurückgeführt werden müssten, mit den Worten: ›Was glauben die denn, wo wir hier sind? Bei einer Kaffeefahrt oder auf dem Ponyhof? Infanteristen sind in letzter Konsequenz dazu da, zu töten oder getötet zu werden‹.«
Solche Vorgesetzten sollten sich
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