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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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in einer demokratischen Armee solche Rituale, deren Weltbild noch dem Ständestaat der Adelsherrschaft und dem Denken des Mittelalters verhaftet ist?
    Moderner, doch deswegen nicht besser sind jene »Traditionen«, die einer Zeit entstammen, von der wir uns angewöhnt haben, sie als die »dunkle« zu bezeichnen, jene tausend Jahre, aus denen dann, dem Himmel sei Dank, nur ein Dutzend wurden. Wenn Soldaten in dieser Hinsicht auffällig werden, dann muss sowohl dienst- als auch strafrechtlich gegen sie vorgegangen werden. Verhaltensweisen und Vorkommnisse, die einen Verdacht auf rassistische oder fremdenfeindliche Beweggründe nahelegen, entspringen genau jenem Weltbild, das sich auf Herrenmentalität, natürliche Überlegenheit und angeblich berechtigte Machtansprüche beruft. Die Selbstüberschätzung gründet sich hier auf einem Ideal, das nicht nur innerhalb der Grenzen der Bundeswehr existiert, sondern auch in großen Teilen der Gesellschaft hochgehalten wird – obwohl ein derartiger Herrschaftsanspruch nur den Minderwertigkeitskomplexen seiner Befürworter geschuldet ist.
    In den vergangenen fünf Jahren gab es innerhalb der Bundeswehr durchschnittlich 133 Vorkommnisse pro Jahr, die auf solche Denkweisen hindeuteten. Bei einem Viertel erwies sich nach Ermittlungen der anfängliche Verdacht als falsch. Gegen etwa 500 Soldaten, also rund 100 pro Jahr, wurde in diesem Zeitraum disziplinarisch und strafrechtlich ermittelt. Die Untersuchungen betrafen zu 58 Prozent Grundwehrdienstleistende beziehungsweise freiwillig länger Wehrdienstleistende, zu 39 Prozent Zeitsoldaten, zu 1 Prozent Reservisten und zu 2 Prozent Berufssoldaten. Bezogen auf Dienstgrade, handelte es sich zu 80 Prozent um Mannschaftssoldaten, zu 18 Prozent um Unteroffiziere und zu 2 Prozent um Offiziere. Während der gesamten fünf Jahre wurden keine Gewaltdelikte mit rassistischem, nationalsozialistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund bekannt, ermittelt wurde wegen folgender Anschuldigungen: Besitz und Konsum verbotener Musik, Hitlergruß, Siegheil-Rufe, Beleidigung unter Verwendung rassistischen Vokabulars, Wandschmierereien mit braunen Parolen. Gegen alle überführten Täter wurden Strafen verhängt.
    Ein Beispiel aus den Kreisen der Mannschaftsdienstgrade: Ein Gefreiter zeigte auf der Stube den Hitlergruß und ließ sich dabei fotografieren. Er versuchte, seine Tat als »dummer Jungenstreich« zu entschuldigen. Gegen ihn wurde ein Disziplinararrest verhängt. Der Fotograf erhielt eine Disziplinarbuße.
    Ein Beispiel aus den Kreisen der Unteroffiziersdienstgrade: Ein Oberfeldwebel beschimpfte seine Untergebenen auf dem Biwakplatz mit den Worten: »Ihr seht aus wie Juden, die nach Auschwitz deportiert werden.« Und nochmals am Abend in der Truppenunterkunft: »Ihr seht aus wie Juden, die aus dem KZ Auschwitz entlassen wurden.« Er legte bei der Vernehmung ein Teilgeständnis ab und gab an, sich für seine Aussagen zu schämen, weswegen er sich schon vor Ermittlungsbeginn bei seinen Soldaten entschuldigt habe. Er wurde von seinen Aufgaben als stellvertretender Zugführer entbunden und in den Innendienst ohne Führungsfunktion versetzt. Außerdem hatte er einen Disziplinararrest zu verbüßen.
    Ein Beispiel aus den Kreisen der Offiziere: Im Jahr 2007 gab es an beiden Bundeswehruniversitäten eine repräsentative Befragung von 2300 Studenten im Auftrag des Verteidigungsministeriums. Interessantes Detail: Der Wehrbeauftragte erhielt das Ergebnis erst im Februar 2010, obwohl die Medien bereits im Oktober 2009 aus dem Untersuchungsbericht zitieren konnten. Das Ministerium hat immer wieder versichert, den Forschungsbericht stets unter Verschluss gehalten zu haben. Eventuell war aber das Ergebnis der Befragung so spektakulär, dass jemand doch geplaudert hatte. Das Ergebnis lautete: 13 Prozent der Befragten, also fast 300 Studenten, bekannten sich ganz offen zu den politischen Zielen der »Neuen Rechten«.
    Die Definition des Begriffs aus dem Verfassungsschutzbericht des Innenministeriums aus dem Jahr 2006, zitiert nach dem Untersuchungsbericht jener Studentenbefragung, lautet: »Bei der Neuen Rechten handelt es sich um eine in den 70er-Jahren in Frankreich aufgekommene geistige Strömung, die sich um eine Intellektualisierung des Rechtsextremismus bemüht. Sie beruft sich unter anderem auf antidemokratische Denker, die bereits zur Zeit der Weimarer Republik unter der Bezeichnung ›Konservative Revolution‹ aktiv waren. Die Aktivisten der Neuen

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