Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Gewaltmaßnahmen der Besatzer, bis britische Truppen 1941 das Land befreiten.
Nun hatte Benito Mussolini seine politische Laufbahn als radikaler Sozialist und Antiklerikaler begonnen, auch die Faschistische Partei war im Grunde kirchenfeindlich, sodass die dargestellten Kriegsgräuel zunächst nicht der Kirche zugerechnet werden können. Aber die Kirche zog sich den Schuh an, sie bejubelte den Feldzug, rechtfertigte ihn, um sich beim Diktator lieb Kind zu machen. Nie wäre Schweigen einfacher gewesen, nie wäre Schweigen besser verstanden worden.
Springen wir noch einmal ein Stück zurück in die italienisch-äthiopische Geschichte, um einen pikanten Aspekt der Affäre verstehen zu können. Der Krieg von 1935 / 36 war nicht der erste Konflikt zwischen den Parteien. Schon einmal, eine Generation früher, hatten die Italiener versucht, die Äthiopier zu unterjochen, damals allerdings vergeblich. In der Schlacht von Adwa am 1 . März 1896 hatte Kaiser Menelik II . die italienischen Aggressoren vernichtend geschlagen. Nach dieser Schlacht verbat sich Menelik II . ausdrücklich eine Siegesfeier: »Es gibt keinen Grund zu feiern an einem Tag wie diesem, an dem Christen Christen nach dem Leben trachteten.«
Die altorientalische Äthiopisch-Orthodoxe Kirche bildete sich bereits im 4 . Jahrhundert heraus, sie steht in der Tradition der ägyptischen Kopten, einer der ältesten Glaubensgemeinschaften des Christentums. Um 1900 gehörten ihr etwa zwei Drittel der Äthiopier an, daneben gab es noch die kleinere, mit Rom unierte Äthiopisch-Katholische Kirche und in der Folge europäischer Mission in den Randgebieten des Landes auch Römische Katholiken, Anglikaner und Protestanten. Ein Viertel der Bevölkerung war muslimisch. Die Eliten des Landes, der Alltag, die Schulen und anderen Einrichtungen wurden aber von der alten Äthiopisch-Orthodoxen Kirche geprägt. Wie also stellte sich der Vatikan zu einem solchen Krieg gegen ein ausdrücklich christliches Land?
Papst Pius XI . hielt sich aus der Sache heraus. Als Sprecher in dieser Angelegenheit agierte Kardinal Alfredo Ildefonso Schuster, Mitglied des Benediktinerordens, seit 1929 Erzbischof von Mailand und damit der zweitwichtigste Prälat der Kirche in Italien nach dem Papst. Am Tag von Badoglios Siegesparade in Addis Abeba, am 9 . Mai 1936 , segnete der Kardinal die italienischen Soldaten und vereinnahmte Mussolinis Krieg für die Kirche: »Wir arbeiten mit Gott zusammen in dieser nationalen und katholischen Mission des Guten – vor allem in diesem Augenblick, in dem auf den Schlachtfeldern Äthiopiens die Fahne Italiens im Triumph das Kreuz Christi vorwärtsträgt.«
Schon zu Kriegsbeginn hatte Kardinal Schuster den neuen »Kreuzzug« enthusiastisch bejubelt. Am Vorabend des Angriffs hielt er einen Dankgottesdienst ab und erklärte, Gott werde die Truppen beschützen, denn sie leisteten einen Beitrag zur Verbreitung des Christentums auch in Ländern, die noch nicht christianisiert sind. Das war, wie wir gesehen haben, natürlich eine glatte Propagandalüge. Am 28 . Oktober 1935 predigte Schuster im Mailänder Dom: »Gott schütze die Truppen, die die Türen Äthiopiens für den Katholischen Glauben und für die Römische Zivilisation öffnen.« In diesem Gottesdienst wurden die Fahnen nach Äthiopien abgehender Truppenteile gesegnet. Die Soldaten wurden von mehr als hundert Militärkaplänen betreut, die alle im besetzten Äthiopien vorgefundenen Marienstatuen einsammelten, um sie durch solche Bildnisse zu ersetzen, die von der italienischen Bevölkerung eigens zu diesem Zweck gespendet worden waren. Äthiopische Kirchen und Klöster wurden rücksichtslos zerstört, das altehrwürdige Kloster Debre Libanos wurde dem Erdboden gleichgemacht, nachdem italienische Soldaten alle 320 Mönche erschossen hatten.
Der Wert der moralischen Unterstützung für Mussolinis Krieg durch die Kirche, ja für Mussolinis Stellung in Italien überhaupt, darf nicht unterschätzt werden. In einem grundsätzlich erzkatholischen Land, wie es Italien damals war, galt die Kirche auch nach dem Verlust der weltlichen Macht des Papstes viel, und wer über den Rückhalt in der Kirche verfügte, besaß auch die Unterstützung durch die öffentliche Meinung. Die Kirche hat Mussolinis Krieg gebilligt, sie hat ihn gefördert und ihn im Grunde zu ihrer eigenen Angelegenheit gemacht. Zwar war der Erzbischof von Mailand nicht der Papst. Aber die Unterstützung des Äthiopienkriegs war nicht nur ein
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