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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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unmoralisches Angebot: Sie sollten die Überfahrt nach Ägypten einfach »abarbeiten«. Im Ergebnis hieß das, für die Venezianer Krieg zu führen, die Städte Triest und Zara wurden erobert, das nächste anvisierte Ziel war Konstantinopel. Der Papst, dem diese Entwicklung nicht gefiel, weil sie seiner Führung entglitten war, versuchte die Kreuzfahrer zu bewegen, keine christlichen Städte anzugreifen. Doch die päpstlichen Briefe wurden von den Venezianern unterschlagen. Und so eroberten und plünderten die katholischen Kreuzfahrer im Jahr 1204 das orthodoxe Konstantinopel. Das alte Ost-Rom sollte sich von diesem Schlag nicht mehr erholen, und der endgültige Untergang des christlichen Reichs am Bosporus, in Griechenland und Anatolien war nur noch eine Frage der Zeit. Die gewaltigen Schätze und Reliquien, die die römischen und byzantinischen Kaiser in 1000 Jahren zusammengetragen hatten, wurden teils zerstört, teils gelangten sie als Trophäen ins Abendland, wo sie von Fürsten und Bischöfen ihren Kronschätzen und Schatzkammern einverleibt wurden und wo viele davon bis heute noch stolz gezeigt werden.
    So strömten im Jahre des Heils 2010 die Massen nach Turin, um in der Kathedrale das Grabtuch Christi zu bestaunen und über dessen »Echtheit« zu sinnen. Die meisten wissen es nicht – und niemand schämt sich dafür –, dass dieses Tuch Zeugnis ablegt für eines der schlimmsten Massaker, das Christen gegen Christen verübten, auf Kriegsfahrt geschickt von einem Papst, der sich zum Stellvertreter Christi erhob. Denn das Grabtuch ist wohl eines der prominentesten Stücke, die 1204 in Konstantinopel erbeutet wurden. Heute gehört es dem Heiligen Stuhl, also dem Bischofssitz des Papstes. Eine andere hervorragende Reliquie aus diesem Raubzug ist die Dornenkrone, die in Notre-Dame zu Paris aufbewahrt wird. Im Markusdom zu Venedig schließlich finden sich in der hinter dem Hauptaltar angebrachten Pala d’Oro filigrane byzantinische Emaillearbeiten. Und der Teil des Heiligen Kreuzes der Kaiserin Helena, der sich in Konstantinopel befand, wurde unter der Aufsicht von Bischöfen zu Kleinholz gemacht. Eine zeitgenössische Chronik weiß: »Nach der Eroberung der Stadt wurden unschätzbare Reichtümer gefunden, unvergleichlich kostbare Edelsteine und auch ein Teil des Kreuzes des Herrn, das, von Helena aus Jerusalem überführt und mit Gold und kostbaren Edelsteinen geschmückt, dort höchste Verehrung erfuhr. Es wurde von den anwesenden Bischöfen zerteilt und mit anderen sehr kostbaren Reliquien unter den Rittern aufgeteilt; später, nach deren Rückkehr in die Heimat, wurde es Kirchen und Klöstern gestiftet.« Mag auch der Ausgang dieses Kreuzzugs nicht nach dem Geschmack von Papst Innozenz III . gewesen sein, die römische Kirche in ihrer Gesamtheit erfreut sich der Beute bis auf den heutigen Tag.
     
    Papst Innozenz III . war Hardliner genug, um auf seiner Vorstellung von einem Kreuzzug zu beharren. Vielleicht motivierte ihn auch der für die Kirche höchst erfolgreiche Verlauf des von ihm zwischenzeitlich ausgerufenen Albigenserkreuzzugs, wer weiß? Auf dieses Abschlachten von Christen durch Christen kommen wir noch zurück. Seiner Auffassung nach waren die letzten Züge bloß deshalb gescheitert, weil der hohe Adel zu sehr Eigeninteressen verfolgte und nicht ausschließlich der frommen Idee von der Eroberung des »Heiligen Landes« diente. Also mussten doch wieder die kleinen Leute, die armen Ritter, die Bauern, die landlosen Tagelöhner in den Krieg geschickt werden. Sie sollten, vom frommen Eifer erfüllt, ihr Letztes geben, um die Feinde Christi niederzuwerfen. Und damit die Kirche das alles unter Kontrolle behielt, musste die Führung einem ranghohen Geistlichen anvertraut werden. Im Jahr 1213 hatte Innozenz III . wieder eine Kreuzzugsbulle veröffentlicht, die den Kreuzfahrern erneut Entlastung von irdischen Schulden, aber auch den sicheren Einzug ins Himmelreich versprach. Er griff zu heftigen theologischen Argumenten, um das einfache Volk zu beeindrucken. Er nannte den Propheten Mohammed einen Betrüger und »Erstgeborenen des Satans«, den Koran einen »Schleier der Finsternis«. Unwillige wurden geradezu genötigt, der Christenpflicht zum Kreuzzug nachzukommen: »Der König der Könige, der Herr Jesus Christus verurteilt das Laster der Undankbarkeit und das Verbrechen der Untreue. Wer es unterlässt, ihm zu Hilfe zu eilen, da er […] aus seinem Königreich vertrieben wurde, das er um den Preis

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