Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
seines Blutes erwarb, soll wissen, dass jeder, der in dieser Stunde der Not seinem Erlöser den Dienst verweigert, sich schwer verschuldigt und schwer zu beschuldigen ist.« So wurde unter dem Deckmantel einer religiösen Argumentation moralischer Druck aufgebaut.
Der Papst erlebte die Folgen seiner Bulle nicht mehr. Zwar bekräftigte Innozenz auf dem von ihm 1215 einberufenen Laterankonzil – auf dem auch den Juden das Tragen besonderer Kennzeichen auferlegt wurde – noch einmal die Aufforderung zum Kreuzzug. Ausgeführt wurde der Plan erst unter seinem Nachfolger Honorius III . ( 1216 – 1227 ). Zum Führer des Kreuzzuges wurde Kardinal Pelagius von Albano bestimmt. Er stieß 1218 zum Hauptheer der Kreuzfahrer, das gerade die ägyptische Stadt Damiette im Nildelta belagerte und diese im folgenden Jahr unter den üblichen blutigen Umständen tatsächlich eroberte. Zu den Kreuzfahrern zählte auch der spätere Heilige Franz von Assisi, der nicht nur den Vögeln predigte, sondern auch versuchte, den jungen Sultan al-Kamil mit einer Predigt von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen – allerdings vergeblich. Der Sultan bot in Verhandlungen einen sehr großzügigen Friedensplan an, die Kreuzfahrer hätten sogar Jerusalem zurückerhalten. Aber der Kardinal, ein sturer Kirchenjurist, wollte keinen Vertrag mit den Ungläubigen schließen, er bestand auf Abbruch der Verhandlungen und befahl, den Kreuzzug mit einem Angriff nilaufwärts fortzusetzen. Schon nach kaum 80 Kilometern landeinwärts, bei al-Mansura, stellte der Sultan sich den Christen entgegen. Das Aufgebot der Truppen des Sultans beeindruckte die militanten Wallfahrer so sehr, dass sie es nicht auf eine Schlacht ankommen lassen wollten, sondern umkehrten. So endete der Kreuzzug ruhm- und erfolglos, die Chance auf eine friedliche Einigung mit den Muslimen hatte die Heilige Kirche durch Kardinal Pelagius hochmütig abgelehnt.
Papst Honorius III . jedoch wollte sich mit dieser Schlappe nicht abfinden, und er setzte den Stauferkaiser Friedrich II . unter Druck, der zwar einen Kreuzfahrereid geleistet, aber bisher nichts unternommen hatte, um ein Heer gen Jerusalem zu führen. Problematisch für den Kaiser war die Androhung seiner Exkommunikation, die später tatsächlich erfolgen sollte. Denn wegen des damit verbundenen Kirchenbanns hätten alle Fürsten und Ritter des Kaisers diesem gegenüber ihre Lehensverpflichtungen aufkündigen können. Friedrich zog also nach Palästina, aber er nutzte den immer noch vorhandenen Verhandlungswillen des Sultans und gelangte mit ihm zu einem Vergleich. Zwar waren die Konditionen des nunmehr erreichbaren Friedens nicht mehr ganz so gut wie diejenigen, die 1218 angeboten waren, aber immerhin. Der Kaiser schloss einen Vertrag mit Sultan al-Kamil, der den Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land einige Jahre der Ruhe und den Christen den Zugang zu den Wallfahrtsorten in Jerusalem einbrachte. Dann musste der Staufer schleunigst in das heimatliche Unteritalien zurückkehren, denn Papst Gregor IX ., der seit 1227 regierte, hielt Friedrichs Abwesenheit, der ja von seinem Vorgänger zum Kreuzzug genötigt worden war, für den günstigsten Augenblick, mit seinen eigenen Truppen das Königreich Sizilien, das zum Herrschaftsbereich des Kaisers gehörte, anzugreifen. Diese besonders perfide Variante, einen Kreuzzug zum kirchlichen Vorteil zu nutzen, führte freilich dazu, dass die eigentliche Kreuzzugsidee, nämlich einen Krieg im Auftrag Gottes zu führen, auch in weiten Teilen Europas vollständig unglaubwürdig wurde. Gregor IX . hatte den Bogen überspannt.
Gleichwohl nutzten auch folgende Päpste als »Kreuzzug« deklarierte Feldzüge zur Durchsetzung ihrer Interessen. Im Innern Europas kämpfte die Kirche noch hundert Jahre gegen die Anhänger des Kaisers und gegen die Albigenser, an Europas Rändern noch zweihundert Jahre in Spanien gegen die Mauren und im Baltikum gegen Litauer und andere Völker. Die Erinnerung an die vermeintlich ruhmreiche Zeit der Kreuzzüge wurde in den Türkenkriegen des 16 . und 17 . Jahrhunderts wiederbelebt. 1570 / 71 hatten die Türken die letzte große Bastion der lateinischen Christenheit, die in der Zeit der Kreuzzüge entstanden war, erobert: das zuletzt unter venezianischer Herrschaft stehende Königreich Zypern.
Wenige Jahre zuvor, 1566 , war Antonio Ghislieri, ein Dominikanermönch, der fanatisch Ketzer, Sünder und Heiden verfolgte und der es deshalb bis zum Großinquisitor der
Weitere Kostenlose Bücher