Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Krisenpotenzial birgt die politische Situation im früheren Palästina, dem heutigen Israel, Jerusalem und den Palästinensergebieten. Die Kirche ist dort mit dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem vertreten, einem Bistum, dem nur noch etwa 78 000 meist arabische Gläubige angehören. Auch die mit dem Papst unierten kleinen katholischen Kirchen der Melkiten, Maroniten, Armenier, Syrer und Chaldäer besitzen eigene geistliche Hierarchien und Strukturen. Und das Verhältnis gerade der arabischen Christen zu den jüdischen Israelis ist nicht spannungsfrei, emotional stehen sie ihren muslimischen Landsleuten in aller Regel näher. So kämpft der melkitisch-katholische Erzbischof im Ruhestand, Hilarion Capucci, bis heute weiter für die Sache der Palästinenser, zuletzt gehörte der inzwischen 88 -Jährige zu der Schiffsbesatzung der Mavi Marmara, die den Palästinensern im Gaza-Streifen Hilfsgüter liefern wollte. Er wurde zusammen mit anderen von den Israelis verhaftet und am 1 . Juni 2010 aus dem Gefängnis Beersheba abgeschoben.
Viele für das christliche Selbstverständnis wichtige Kirchen und Gedenkstätten sind seit 1342 der »Kustodie des Heiligen Landes« unter dem Franziskanerorden anvertraut. Andere Orden und Gemeinschaften unterhalten ebenfalls zahlreiche Pilgerheime, Schulen und Krankenhäuser. 1973 errichtete die Kirche in Bethlehem eine Universität. Alle Aktivitäten der Kirche sind traditionell steuerfrei. Seit 2002 verlangt der Staat Israel jedoch auch von kirchlichen Einrichtungen die Entrichtung von Steuern. Der Vatikan hat dagegen angeordnet, dass bis zur Billigung des schon 1993 unterzeichneten Grundlagenvertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel durch die Knesset, das Parlament Israels, nichts bezahlt wird. In diesem Grundlagenvertrag verpflichtet sich die Kirche übrigens auf die in der Erklärung Nostra aetate festgelegten Grundsätze und auch dazu, sich aus weltlichen Konflikten – gerade im Zusammenhang mit umstrittenen Gebieten und nicht festgelegten Grenzen – neutral zu verhalten. Sowohl für den konservativen Flügel der Kirche als auch für arabische Christen gibt es also Motive, die sie veranlassen könnten, mit Störmanövern die Billigung des Abkommens durch das israelische Parlament zu verzögern oder gar zu verhindern.
Papst Pius XII. – ein Heiliger?
Papst Pius XII . ( 1939 – 1958 ), der letzte wirkliche »Römer« auf dem Papst-Thron, hatte vielleicht einfach nur Pech. Gerade in seiner Amtszeit wurde der Zweite Weltkrieg von Deutschland begonnen, ein Land, das der Papst gut kannte und sehr mochte und wo er von 1917 bis 1929 als päpstlicher Nuntius gelebt hatte. Schlimmer noch als der deutsche Angriffskrieg war der Umgang der deutschen Besatzer mit den Menschen der besetzten Gebiete. Zuerst traf es die Polen, in der Mehrzahl Katholiken, aber auch viele polnische Juden. 2600 polnische Geistliche wurden Opfer schlimmster Verfolgungsmaßnahmen, viele davon kamen zu Tode, auch fünf polnische Bischöfe starben in deutschen Konzentrationslagern. Öffentlicher Widerspruch des Papstes, der von den Allierten angemahnt und von den Polen erwartet wurde, blieb aus. Der Vatikan blieb »neutral« – so »neutral«, dass der Tod des polnischen Bischofs Leon Wetmanski im Oktober 1941 zwar im Osservatore Romano , der offiziellen Zeitung des Vatikans, gemeldet, dabei aber der Umstand unterschlagen wurde, dass der Bischof im KZ Auschwitz von einem Aufseher erschlagen worden war. Von der Shoah und ihren nach Millionen zählenden Opfern erfuhr der Vatikan zeitig, wohl schon im März 1942 , also nur zwei Monate nach der Wannseekonferenz, in der die systematische Vernichtung der europäischen Juden geplant worden war. Einzelne mutige Bischöfe stellten sich gegen die Judenverfolgung und Pius wurde von ihnen, wie auch von jüdischen Organisationen, mehrfach bedrängt, die Massenmorde öffentlich anzuprangern. Der Papst schwieg jedoch, so lautet zumindest die weit verbreitete Auffassung. Rolf Hochhuths Theaterstück Der Stellvertreter , 1963 uraufgeführt, popularisierte die Meinung, dass Pius XII . aus Kaltherzigkeit den Völkermord an über sechs Millionen Juden mit Stillschweigen übergangen hätte.
Der Ruf des Papstes war damit in weiten Kreisen ruiniert und ist es bis heute, obgleich die These längst widerlegt ist. Pius XII . hat nicht geschwiegen, er hat den Mord an »hunderttausenden Unschuldiger nur wegen ihrer Nation oder Rasse« in seiner Ansprache zu
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