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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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spanischer Sprache – und von ihnen verlangten, ihre Herrschaft in weltlichen Dingen und diejenige der Kirche in Religionsfragen anzuerkennen. Es folgte die Drohung: »Wenn ihr dies tut, werdet ihr gut tun und werdet ihr dasjenige tun, wozu ihr verpflichtet seid. Wenn ihr es aber nicht tut oder es in boshafter Weise aufschiebt, so tue ich euch kund, dass ich mit der Hilfe Gottes mit Gewalt eindringen werde gegen euch und euch bekriegen werde in jeder Art und Weise, wie ich kann, und euch unterwerfen werde unter das Joch und den Gehorsam der Kirche und ihrer Hoheiten. Und eure Personen und eure Frauen und Kinder werde ich gefangennehmen und zu Sklaven machen und als solche sie verkaufen und über sie verfügen, wie seine Hoheit es gebietet, und werde euch eure Güter nehmen und euch allen Schaden und Böse antun, wie ich kann.«
    So gestaltete sich also die erste Begegnung der Indianer mit dem Christentum. Sehr schnell kam es zu ersten »Missionserfolgen«, 1511 errichtete Papst Julius II . ( 1503 – 1513 ) in Santo Domingo (heute Hauptstadt der Dominikanischen Republik) auf der Insel Hispaniola das erste Bistum in Amerika. Innerhalb weniger Jahre gab es in Südamerika schon ein ganzes Netz von Diözesen und Erzdiözesen. In aller Regel widmeten sich spanische Geistliche aus dem Dominikaner- und dem Franziskanerorden, später aus dem 1534 gegründeten Jesuitenorden, der Indianermission.
    Zunächst war es unter christlichen Theologen umstritten, ob Indianer überhaupt Menschen seien und man sie taufen dürfe. Denn der heilige Augustinus hatte doch festgestellt, dass die Welt mit drei Erdteilen komplett sei und nur dort Menschen lebten – und überhaupt: Von welchem der drei Söhne Noahs sollten die Indianer denn abstammen? Papst Paul III . ( 1534 – 1549 ) entschied jedoch 1537 diese Frage und betonte, dass die Indianer nicht nur Menschen seien, sondern auch nicht versklavt werden dürften. Diese Entscheidung des Papstes war von den in Südamerika tätigen Missionaren schon vorweggenommen worden. 1530 hatte der Franziskanerpater Juan de Zumárraga sein Amt als erster Bischof von Mexiko-Stadt angetreten. Und schon im folgenden Jahr soll es auf einem Hügel nahe der Stadt zu einer Marienerscheinung gekommen sein, bei der die Gottesmutter sich – so wurde berichtet – mit brauner Hautfarbe gezeigt habe und der Marienstatue gleiche, die in der spanischen königlichen Abtei von Guadalupe verehrt wurde. Christoph Kolumbus soll nach seiner Entdeckungsreise von 1492 in den spanischen Wallfahrtsort gereist sein und sich für die Entdeckung »Indiens« bedankt haben.
    Offenbar konnte diese schöne Geschichte viele Indianer überzeugen, denn in den Jahren zwischen 1532 und 1538 ließen sich alle erreichbaren Indianer von den Missionaren taufen. Damit entgingen sie freilich auch der ärgsten Willkür, die die stolzen Konquistadoren, die Eroberer im Dienst der Katholischen Könige, gegenüber der einheimischen Bevölkerung ausübten, galten ungetaufte Indianer doch als rechtlos. Die Alternative einer Taufe war schlicht das kleinere Übel. Und die Geschichte der Marienerscheinung bot wenigstens etwas Trost für den Verlust der eigenen Kultur und oft auch der eigenen Sprache. Immerhin sollten über zwei Jahrhunderte später, im Jahr 1801 , mit der heiligen Maria von Guadalupe auf ihrer Fahne Indios den Kampf gegen die Kolonialherren beginnen. Aus der Heiligen der Eroberer war tatsächlich eine Identifikationsfigur der Kolonisierten geworden, ein Effekt, der von den Spaniern und wohl auch der Kirche nicht vorhergesehen worden war. Heute ist die Nuestra Señora de Guadalupe die viel verehrte Schutzpatronin Lateinamerikas. Zwanzig Millionen Gläubige besuchen im Jahr ihre Wallfahrtskirche: der größte Besucheransturm aller katholischen Wallfahrtsorte der Welt.
     
    Eine Wallfahrt will gepflegt sein wie eine Marke. Das weiß die Kirche. Ein erster »Relaunch« der Jungfrau von Guadalupe fand 1648 statt, als in Europa gerade der Dreißigjährige Krieg zu Ende war. Ein spanischer Priester, Miguel Sánchez, veröffentlichte ein Buch über die angebliche Marienerscheinung und erfand noch etliche Details dazu. Erstmals wurde die Person benannt, die damals die Erscheinung gehabt haben soll. Ein getaufter Indianer namens Juan Diego sei es gewesen, und zum Beweis für die Echtheit der Erscheinung habe ihm die Madonna noch drei Rosen geschenkt, obwohl tiefster Winter war. Nachdem er die Rosen in seinem Mantel geschützt zum Bischof

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