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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Weihnachten 1942 deutlich angeprangert. Ist der Fall Pius XII . damit geklärt, sind die Kritiker dieses Papstes, gerade die von jüdischer Seite, widerlegt, und steht dem weiteren Verlauf des Verfahrens zur Seligsprechung, das derzeit in Rom läuft, also nichts mehr im Weg? So einfach ist die Sache leider nicht. Denn es bestehen noch etliche Unklarheiten, die das Verhalten von Pius XII . in Angelegenheiten betreffen, die jüdische Interessen berühren. Was hat etwa der Papst persönlich getan oder unterlassen im Zusammenhang mit der »Razzia« gegen die in Rom lebenden Juden vom 16 . Oktober 1943 durch die SS? Kein Ruhmesblatt für die Kirche stellt auch das Verhältnis zur faschistischen Regierung unter Mussolini dar, beispielsweise hinsichtlich der mangelnden Kritik an deren antisemitischen Maßnahmen.
    Unklar ist zudem, wie sehr Pius XII . in die Fluchthilfeaktionen eingeweiht oder involviert war, die nach dem Krieg zugunsten von Kriegsverbrechern der kroatischen Ustascha und deutscher Nationalsozialisten systematisch von kirchlichen Stellen betrieben wurden. Auf diesen »Rattenlinien«, wie sie der US -Geheimdienst später nannte, gelangten tausende von ihnen zunächst nach Spanien und von dort nach Argentinien oder in andere südamerikanische Länder, darunter auch Adolf Eichmann, einer der Hauptorganisatoren der systematischen Deportation in die Vernichtungslager, und der berüchtigte KZ -Arzt Josef Mengele, der in Auschwitz grausame Experimente an Menschen durchgeführt hatte. Der kroatische Ex-Diktator Ante Paveli´c, der hunderttausende von Toten, vor allem orthodoxe Serben und Juden, zu verantworten hatte, konnte sich zwei Jahre lang in einem römischen Kloster verstecken, ehe auch er nach Südamerika floh. Viele Prälaten der Kirche hielten es für gottgefällig, dass diese Personen nicht dem irdischen Richter zugeführt wurden, sondern sich in ihrem weiteren Leben noch als Kämpfer gegen den Kommunismus nützlich machen konnten. Es mag sein, dass Pius XII . persönlich auch von diesen Verdächtigungen am Ende freigesprochen werden kann. Eine solche Entlastung scheitert im Moment aber daran, dass viele Akten über die Zeit nach 1939 immer noch im vatikanischen Geheimarchiv unter Verschluss liegen und wohl erst in den nächsten Jahrzehnten für Forscher zur Verfügung stehen werden. Gerade aus der wichtigen Periode von 1939 – 1945 ist bisher nur eine Auswahl publiziert, die Freigabe der übrigen Akten ist für die nächsten Jahre angekündigt.
    Es sollte deshalb niemanden überraschen, dass ein schlimmer Verdacht im Raum steht: Soll deshalb die Seligsprechung von Papst Pius XII . schnell erfolgen, weil die Akten noch nicht offengelegt sind? Und: Wird mit der dennoch beabsichtigten Selig- und einer darauf folgenden Heiligsprechung bewusst eine Sollbruchstelle im Verhältnis der Kirche zu den Juden genutzt? Denn es muss jedem Katholiken klar sein, dass die Seligsprechung dieses Papstes jetzt oder in naher Zukunft den meisten Juden als Provokation erscheinen muss. Es spielt dabei keinerlei Rolle, ob sich Pius XII . im Zusammenhang mit dem Holocaust tatsächlich irgendwie persönlich schuldig gemacht hat, was viele ihm vorwerfen, oder ob er nach Kräften bemüht war, gegen die Nationalsozialisten vorzugehen und den verfolgten Juden zu helfen, wie seine Verteidiger argumentieren. Denn für die Juden trug er in den entscheidenden Jahren nach 1939 die Verantwortung im Namen der Kirche, die insgesamt ihr Versagen vor dem Holocaust schon bekennen musste. Der Verdacht, dass der Papst auch persönlich schuldig ist, hängt ihm an.
    Die Kirche lässt sich für vieles lange Zeit; für ein solides Urteil über das Werk des 1642 verstorbenen Galileo Galilei zum Beispiel hat sie 350 Jahre gebraucht. Doch gerade bei Pius XII . muss es jetzt schnell gehen. Papst Benedikt XVI . hat erst am 19 . Dezember 2009 einen wichtigen Schritt für den Gang des Verfahrens getan, indem er die Feststellung veröffentlichte, Pius XII . sei in heldenhafter Weise tugendhaft gewesen. Aber wie kann man das in diesem Fall feststellen, wenn die Akten aus einem wichtigen Lebensabschnitt des Papstes noch fehlen? Eine Seligsprechung auf unvollständiger Faktenbasis wäre unglaubwürdig und auch innerhalb der Kirche weitgehend nicht vermittelbar. Ein neuer Medien- GAU der Kirche wäre die sicher erwartbare Folge. Das hätte Papst Pius XII . eigentlich nicht verdient, wenn er wirklich heroisch tugendhaft gewesen ist. Warum hat es die Kirche hier so

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