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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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3.
Indianer und andere Heiden
     
     
     
     
     
     
     
     
    Etwa auf halbem Weg zwischen den brasilianischen Millionenstädten Rio de Janeiro und São Paulo liegt die Kleinstadt Aparecida. Dort war 1717 unter wundersamen Umständen eine Marienstatue aufgefunden worden und es hatte sich seither eine Wallfahrt entwickelt, kräftig gefördert von Prinzessin Isabella, der letzten Regentin des Kaiserreichs Brasilien bis zur Revolution von 1889 . Aus Bayern gerufene Mitglieder des Ordens der Redemptoristen, die das Wallfahrtswesen aus Altötting kannten, brachten Aparecida gewissermaßen in Form. Für den Anstrom der Gläubigen wurde bis 1980 zu Ehren der inzwischen als Schutzpatronin Brasiliens ausgerufenen Madonna von Aparecida eine riesige Kirche erbaut, die 45 000 Gläubige aufnehmen kann; sie ist nach Sankt Peter in Rom die zweitgrößte Kirche der katholischen Welt.
    Am 13 . Mai 2007 eröffnete Benedikt XVI . dort eine Sitzung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Der Papst hielt es für richtig, auf die Geschichte des Christentums in Südamerika einzugehen und erläuterte: »Welche Bedeutung hatte aber die Annahme des christlichen Glaubens für die Länder Lateinamerikas und der Karibik? Es bedeutete für sie, Christus kennenzulernen und anzunehmen, Christus, den unbekannten Gott, den ihre Vorfahren, ohne es zu wissen, in ihren reichen religiösen Traditionen suchten. Christus war der Erlöser, nach dem sie sich im Stillen sehnten. Es bedeutete auch […] den Heiligen Geist empfangen zu haben, der gekommen ist, ihre Kulturen zu befruchten, indem er sie reinigte und die unzähligen Keime und Samen, die das fleischgewordene Wort in sie eingesenkt hatte, aufgehen ließ und sie so auf die Wege des Evangeliums ausrichtete. Tatsächlich hat die Verkündigung Jesu und seines Evangeliums zu keiner Zeit eine Entfremdung der präkolumbischen Kulturen mit sich gebracht und war auch nicht die Auferlegung einer fremden Kultur.«
    Die Reaktion der brasilianischen Indianer und der Öffentlichkeit war vernichtend, in den Stellungnahmen wurde dem Papst Respektlosigkeit, Beleidigung, Geschichtsklitterung und Schönfärberei vorgeworfen. Die Reputation Benedikts XVI . in Südamerika – zumindest bei dem Bevölkerungsteil, der seine Wurzeln auf die ursprünglichen Einwohner des Landes zurückführt, und dieser Anteil ist erheblich – nahm immensen Schaden. Es ist dort nach wie vor nicht vergessen, dass sein Vorgänger im Amt die Untaten in der Zeit der conquista , der Eroberung Lateinamerikas durch Spanier und Portugiesen, wenigstens als solche bezeichnete. Johannes Paul II . hatte 1991 sich eigens mit Vertretern der brasilianischen Ureinwohner getroffen und betont, er kenne die Geschichte ihrer Völker, die von vielem Leiden, Streit und Tod geprägt war. Dieser warme Ton hatte dazu geführt, dass Johannes Paul II . breiteste Popularität auch in Südamerika genoss. Warum ist heute alles anders?
     
     

Südamerika – das Geschenk des Papstes
     
    Gerade an der Kolonisierung Südamerikas war die Kirche von Anfang an offiziell beteiligt. Schon kurz nach der Entdeckung durch Christoph Kolumbus 1492 , der seine Fahrt im Auftrag der spanischen Königin Isabella der Katholischen unternommen hatte, war Papst Alexander VI . mit dem neuen Land, das man noch nicht als eigenen Kontinent einordnete, befasst. Er vermittelte erfolgreich zwischen den beiden größten katholischen Seefahrernationen Portugal und Spanien, die sich dann im Vertrag von Tordesillas von 1494 die Welt aufteilten. Im Ergebnis kam deshalb Brasilien in portugiesische Hände, wogegen die Spanier das übrige Mittel- und Südamerika erhielten. In welcher Rolle sich der Papst sah, geht aus dem Wortlaut seiner Erklärung dazu deutlich hervor: »… schenken, gewähren und übertragen Wir hiermit – […] lediglich aus Unserer eigenen und alleinigen Großmut und sicheren Erkenntnis und aus der Fülle Unserer apostolischen Machtbefugnis, die durch den allmächtigen Gott, durch die Vermittlung St. Petri auf Uns übertragen worden ist, sowie auf Grund der Stellvertreterschaft Jesu Christi auf Erden – an Euch und Eure Erben und Nachfolger, […] alle aufgefundenen oder aufzufindenden, alle entdeckten oder zu entdeckenden Inseln und Festländer, mitsamt allen Herrschaften, Städten, Lägern, Plätzen und Dörfern und allen Rechten.« Die Spanier formulierten aus diesem päpstlichen Privileg ein Papier, das sie allen Ernstes den Indianern vorlasen – übrigens in

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