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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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seither in vielen Dokumenten verurteilt. Das Kirchenvolk folgt dem nur langsam und teilweise, und in etlichen Ländern Europas, im Süden, im Osten, in den Nachfolgeländern der Donaumonarchie und auch in Südamerika hält man noch fest am alten negativen Judenbild. Auch manche Bischöfe unterstützen immer noch die althergebrachte Linie, deutlich wird das in Polen, wo der kirchennahe Radiosender Radio Maryja antijüdische Parolen verbreiten darf. Dieser Sender gehört dem Redemptoristen-Orden und genießt deshalb nach den Bestimmungen des polnischen Konkordates Steuerfreiheit. Die polnische Bischofskonferenz konnte sich zu einem energischen Vorgehen gegen diesen Sender bisher nicht durchringen. Es wird noch Generationen dauern, bis das antijüdische Gedankengut aus den Köpfen aller Kirchenführer und einfacher Gläubigen verschwunden ist. Und auch das wird nur gelingen, wenn eindeutige, klare Signale aus Rom dazu gesendet werden. Jedes Zögern, jedes Wackeln schadet da und weckt zugleich unter Juden berechtigterweise neues Misstrauen.
     
     

»Die Welt kann nicht Richter der Kirche sein«
     
    Die theologische Bewertung des Judentums hängt auch mit einem weiteren Problemkreis zusammen, das das Verhältnis der Juden zur Kirche bis heute belastet. Es geht um die Frage, ob die Kirche Juden missionieren und taufen soll. Vor allem die Taufe jüdischer Kinder sorgte häufiger für Ärger. Zwar hatte die Kirche schon im Mittelalter verboten, jüdische Kinder ohne ausdrückliche Zustimmung ihrer Eltern zu taufen, aber es gab Ausnahmen davon und immer wieder auch Übereifer von christlicher Seite. War ein jüdisches Kind erst einmal getauft, selbst wenn das Sakrament verbotswidrig gespendet worden war, verlangte die Kirche seine christliche Erziehung – und das bedeutete die Trennung vom Elternhaus. Große öffentliche Empörung, durchaus vergleichbar mit der des Jahres 2010 anlässlich des Kindesmissbrauchs in kirchlichen Einrichtungen, löste vor anderthalb Jahrhunderten der Fall Edgardo Mortara aus. Seine Familie lebte in Bologna, das bis 1860 zum Kirchenstaat gehörte. Ein christliches Dienstmädchen der Familie taufte das Kleinkind im Jahr 1851 heimlich, angeblich weil es schwer erkrankt war. Davon erfuhr der zuständige Inquisitor, Pier Gaetano Feletti, ein Dominikanermönch. Er ließ das Kind von der Polizei des Kirchenstaats bei den Eltern abholen, das Kind wehrte sich und schrie, zwei Polizisten mussten den Sechsjährigen bändigen und ihm den Mund zuhalten. Edgardo wurde in ein kirchliches Internat in Rom gesteckt, wo ihn seine Eltern – nur unter Aufsicht – gelegentlich besuchen durften. Pikanterweise kamen bei der Geistlichkeit jetzt Zweifel an der Taufe des Kindes durch das Dienstmädchen auf und Edgardo musste noch einmal offiziell in der Kirche getauft werden. Die politische Öffentlichkeit protestierte, die Presse tobte wegen des unmenschlichen Umgangs mit dem Kind. Ein Kardinal goss noch Öl ins Feuer, indem er sich mit der Bemerkung zitieren ließ, die Welt habe noch nie Richter der Kirche Jesu Christi sein können. Das Ereignis führte zu einer substanziellen Verschlechterung des Ansehens von Papst Pius IX . ( 1846 – 1878 ), die mit Ursache dafür war, dass sich kaum eine Stimme für die Erhaltung des Kirchenstaates erhob, den die Italiener zunächst 1860 erheblich verkleinern und dann 1870 vollständig annektieren konnten. Das war vor 150 Jahren, hat die Kirche daraus gelernt?
     
     

Geht es nur um Worte?
     
    Ein Stein des Anstoßes für die Juden stellte immer die katholische Karfreitagsliturgie dar, deren Thema das Sterben Christi ist. Dabei werden seit frühester Zeit Fürbittgebete für alle möglichen Gruppen gesprochen. Eine dieser Fürbitten gilt speziell den Juden. Der seit dem 16 . Jahrhundert gebräuchliche Text lautet in deutscher Übersetzung: »Lasset uns auch beten für die treulosen Juden, dass Gott, unser Herr, wegnehme den Schleier von ihren Herzen, auf dass auch sie erkennen unsern Herrn Jesus Christus.« Es folgte dann noch ein Absatz, in dem von der Verblendung und Finsternis die Rede ist, in der die Juden steckten. Insbesondere in dem Adjektiv »treulos« sahen die Juden eine Bestärkung der umlaufenden antisemitischen Vorurteile.
    Es regte sich Widerstand gegen diese Formulierung der Fürbitte, auch in der Kirche. 1926 hatte sich auf Initiative von zum Katholizismus konvertierten Juden eine Reformvereinigung gebildet, der schließlich über 3000 Priester, Bischöfe und

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