Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Ruhestand versetzten, noch konservativeren Darío Castrillón Hoyos aus Kolumbien.
In Rom ist der Einfluss konservativer Prälaten aus Lateinamerika in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Damit kommt der zahlenmäßige Anteil der dortigen Katholiken zum Ausdruck, etwa 483 Millionen Gläubige leben in Mittel- und Südamerika, das sind gut 40 Prozent aller Kirchenmitglieder. Nimmt man noch die Katholiken der ehemaligen Mutterländer Spanien und Portugal sowie die kulturell stark von ihnen geprägten früheren Kolonien, wie die Philippinen oder Angola, dazu, außerdem die Hispanics in den USA , so kommt man heute auf über 55 Prozent der Katholiken weltweit, die von lateinamerikanischer, spanischer oder portugiesischer Kultur geprägt sind. Es ist deshalb klar, dass die entscheidenden Auseinandersetzungen, die das Sein der Kirche in der Zukunft prägen werden, in diesem Kulturkreis stattfinden und nicht in Europa. Die Weichenstellungen am Ende des 15 . Jahrhunderts, an denen der Renaissancepapst Alexander VI . entscheidenden Anteil hatte, haben sich für die Kirche ausgezahlt. Es wird sich zeigen, wie sie mit den Hypotheken umgeht, mit denen das Erbe des Borgia-Papstes belastet ist. Wenn es der römischen Kirche nicht gelingt, in Lateinamerika die Gegensätze zwischen Kolonisierten und Kolonisatoren, zwischen Superreichen und Ultraarmen glaubhaft zu überwinden, wird sie scheitern. Eine Komplizenschaft konservativer Kirchenoberer in Rom und in den Metropolen Südamerikas zur Sicherung der eigenen Machtpositionen – nach der es im Moment aussieht – führt in den Untergang.
Sklaven, Gold und Kautschuk – der Preis für das Christentum
Der andere große Kontinent, der sich den Europäern und damit der Kirche zu Ende des 15 . Jahrhunderts öffnete, oder besser: geöffnet wurde, war Afrika. Die Spanier waren im Wettlauf der europäischen Mächte erst als Zweite gestartet, die Nase vorn hatten ihre direkten Nachbarn, die Portugiesen. Und deren erstes Ziel war Afrika, genauer gesagt, das unbekannte Afrika südlich der Sahara. Das Kap Bojador, im Mittelalter auch als »Kap des Schreckens« bekannt, weil es mit damaliger Seefahrtskunst nicht bezwungen werden konnte, galt damals als Ende der Welt. Erst die portugiesischen Seeleute hatten es Mitte des 15 . Jahrhunderts geschafft, mit den neu entwickelten großen Karavellen Sturm und Wellen zu trotzen, und sie waren die Einzigen, die wussten, wie es von dort aus weiterging – und natürlich hofften sie auf Gewinn. Also ließ sich der portugiesische König schon 1455 sehr weitblickend von Papst Nikolaus V . ein Patent ausstellen: die Bulle Romanus Pontifex . Sie besagte, dass alles Land hinter dem damaligen »Ende der Welt«, das im heutigen Staatsgebiet von Westsahara liegt, den Portugiesen gehörte. Ausdrücklich war ihnen gestattet, alle Heiden zu versklaven.
Die Portugiesen tasteten sich langsam entlang der afrikanischen Küste nach Süden vor, auch sie hofften, einen Seeweg nach Indien zu finden. 1483 erreichte eine Karavelle, der größte Schiffstyp der Zeit, ausgerüstet mit bis zu 60 Mann Besatzung und leichter Artillerie, die Mündung des Kongostromes. Die gewaltige Trichtermündung und die Breite des Stroms ließ die Seeleute glauben, dass hier der Weg entlangführen müsse. Sie folgten dem Strom weit ins Land durch unbekannte, tropische Urwälder, stießen aber nicht auf Indien, sondern auf ein gut organisiertes Königreich, das über Sklaven und Gold verfügte und am Handel damit interessiert war. Den Herrscher hatten die Portugiesen beeindruckt, weil sie ihm gleich mit ihren Feuerwaffen im Kampf gegen seine Feinde geholfen hatten. 1491 ließ sich der König taufen und nannte sich seitdem João I , denn er wollte heißen wie der portugiesische König. Als er 1509 starb, musste sein Sohn Afonso I . Nzinga Mbemba, der als Nachfolger vorgesehen war, die Herrschaft erst mit seinem Bruder ausfechten. Afonso war zu einem frommen Katholiken erzogen worden, der Bruder blieb dagegen ungetauft. Der Fromme gewann die Schlacht, er war von den Portugiesen besser ausgerüstet worden, nämlich mit Feuerwaffen. Und zusätzlich, so berichtet es die Legende, habe er Hilfe von ganz oben erhalten: Der heilige Jakobus, früher als Maurentöter geschätzt, sei mit einer Reiterarmee am Himmel erschienen. In panischem Entsetzen sei die Armee des heidnischen Bruders geflohen.
Für so viel himmlischen Beistand war der fromme König dankbar und tat in seiner langen
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