Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Verfeinerung ihrer Methoden arbeiteten. In der spanischen Stadt Salamanca war schon 1588 das Standardwerk zur Indianermission erschienen, verfasst von dem Jesuiten José de Acosta: Die Verbreitung des Evangeliums bei den Barbaren, oder: Von der Sorge für das Heil der Indianer . Bereits der Titel drückt klar aus, wer die Wahrheit besitzt, wer oben und wer unten ist. Immerhin blieben die Indianer, die in einer Ordenssiedlung lebten, vor Versklavung zur Bergwerks- oder Plantagenarbeit verschont und besaßen ein Minimum an sozialer Sicherheit. Gegen die von den Kolonialherren eingeschleppten Krankheiten, die bei den Indianern Epidemien mit tausenden Opfern auslösten, waren die Geistlichen freilich auch machtlos. Insgesamt stellte es für einen Indianer im Südamerika des 16 . und 17 . Jahrhunderts nicht die schlechteste Option dar, ein Leben in einer Jesuitenreduktion oder einer ähnlichen Siedlung eines anderen Ordens zu führen. Aber kann man wirklich behaupten, es sei mit der Verkündigung des Evangeliums nicht die Auferlegung einer fremden Kultur erfolgt, wie Papst Benedikt XVI . meint?
Die Eroberung und anschließende Missionierung Lateinamerikas brachte es mit sich, dass nach einer gewissen Zeit die Eroberer und die Eroberten eines gemeinsam hatten: Sie waren katholisch. Die Indianer hatten die Rolle demütiger Schafe bei ihren guten Hirten, den Franziskanern und Jesuiten, angenommen. Die Konquistadoren, ihre Nachfahren und Unterstützer hielten sich lieber an den gewöhnlichen Klerus in den Städten, und auch die Bischöfe, die in der Regel der Oberschicht entstammten, sympathisierten eher mit ihresgleichen. Hier war der Keim zu einer Spaltung angelegt, der erst viel später aufgehen sollte. Die Folgen dieser Entwicklung führten vierhundert Jahre später zu einer großen Krise der Kirche mit weltweiten Auswirkungen, der Entstehung der Befreiungstheologie und ihre Unterdrückung durch das konservative Establishment.
Im 18 . Jahrhundert sahen sich die Portugiesen, Spanier und Franzosen hinsichtlich ihres absoluten Machtanspruchs in ihren Kolonien durch das Wirken insbesondere der Jesuiten mit Beschränkungen konfrontiert. Papst Clemens XIV . ( 1769 – 1774 ) knickte vor dem Druck dieser Mächte ein und hob 1773 den Jesuitenorden auf; dem Kirchenstaat wurden im Gegenzug Zugeständnisse in einem gerade schwelenden Territorialkonflikt gemacht. Ausgerechnet die Jesuiten, die ja bei Ablegung ihrer Ordensgelübde ausdrücklich dem Papst die Treue schwören müssen, wurden von diesem treulos behandelt. Dies bedeutete in Südamerika das Aus für die Jesuitenreduktionen, das Missionsexperiment wurde nach fast 200 -jähriger Dauer quasi über Nacht beendet. Das weitere Schicksal der Indianer aus den aufgelösten Siedlungen war der römischen Kirche egal.
Folterknechte und Befreiungstheologen
Die Französische Revolution von 1789 und ihre Folgen erschütterten die spanische und portugiesische Herrschaft in Lateinamerika, und nach 1810 erklärte eine Kolonie nach der anderen ihre Unabhängigkeit. Seitdem ringen die neuen Staaten um Stabilität, Diktaturen und Revolutionen lösen sich ab, eigentlich hat sich das bis heute nicht grundlegend geändert, ebenso wie die extrem ungleiche Verteilung des Eigentums. Die Kirche war in einigen Ländern zwar Opfer von Revolution und Enteignung, wie in Mexiko oder Kuba. Aber da, wo sich die Gelegenheit bot, sympathisierte die kirchliche Führung, die Prälaten und die Geistlichen aus den gehobenen Schichten, häufig mit Diktatoren und Militärs. Eine Kritik an den brutalen Methoden der Machtausübung und die Ausbeutung der armen Bevölkerung erfolgte von dieser Seite nicht. Und es blieb nicht bei der Sympathie. Ein krasses Beispiel, das aber vielleicht nur die Spitze des Eisbergs zeigt, ist der Fall eines Priesters, der als Widergänger der alten Inquisition erscheint.
In Argentinien wurde erstmals ein Priester wegen seiner Teilnahme an Verbrechen der Militärjunta zwischen 1976 und 1983 verurteilt. Als Polizeikaplan war er damals auch zuständig für die Seelsorge in den Polizeigefängnissen. Er nutzte das Vertrauen vieler Häftlinge aus und gab Informationen unverzüglich an die Polizei und die Militärs weiter. Im Kampf gegen die marxistische Guerillabewegung schien ihm jedes Mittel recht. Nachgewiesen wurde ihm die Beteiligung an sieben Morden, 31 Folterungen und 42 Entführungen. Gerade die Entführungen, die meist mit der Ermordung des Opfers endeten, waren
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