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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sogar das Recht habe, den Kaiser abzusetzen. Und auch im Hinblick auf die ewige Seligkeit des Papstes wurde vorgesorgt: »Dass der römische Bischof, falls er kanonisch eingesetzt ist, durch die Verdienste des heiligen Petrus unzweifelhaft heilig wird, nach dem Zeugnis des heiligen Bischofs Ennodius von Pavia, dem viele heilige Väter beistimmen, wie aus den Dekreten des heiligen Papstes Symmachus hervorgeht.« Dies ist übrigens im Dictatus Papae die einzige Stelle, bei der Gregor VII . es für nötig hielt, sich für seinen Anspruch auf Autoritäten zu beziehen. Offenbar war er sich der Unerhörtheit dieser Aussage wohl bewusst.
    Als Ergebnis der Kirchenreform war eine schlagkräftige internationale Organisation entstanden, deren Führer anders als alle übrigen Christen nicht das ewige Höllenfeuer fürchten musste. Und ganz nebenbei war der bisher nach kirchlichem Verständnis im gleichen Rang mit dem Papst stehende Patriarch von Konstantinopel auf den zweiten Platz verwiesen worden. Noch im Jahr 2009 , als sich Papst Benedikt XVI . in der römischen Kirche Sankt Paul vor den Mauern mit dem Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I ., traf, wurde es von den Medien als besonders vermerkt, dass beide Geistliche auf gleich hohen Stühlen saßen, 934 Jahre nach dem Dictatus Papae .
     
     

Hunderttausend Tote für Jerusalem – Gott will es!
     
    Papst Urban II . verfügte also dank seiner Vorgänger über eine äußerlich wie innerlich gefestigte Stellung als Kirchenfürst und Kriegsherr, die er nutzen wollte, den orthodoxen Brüdern im Osten gegen die Türken zur Hilfe zu kommen und ganz nebenbei seinen Widersacher, den noch vom Kaiser unterstützten Gegenpapst Clemens III . ( 1080 – 1096 ), endlich auszuschalten. Die Stadt Clermont war ausersehen, im Herbst 1095 zum Schauplatz für den Auftakt zu einer der blutigsten Episoden der Kirchengeschichte zu werden. Papst Urban II . hatte in die französische Bischofsstadt zu einer Synode eingeladen. 328 Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte sowie weltliche Herren und große Scharen einfacher Leute fanden sich ein. Für den Franzosen Urban II . bedeutete der Schauplatz Clermont inmitten der Auvergne ein Heimspiel, weit weg vom Einflussgebiet seines Gegenpapstes Clemens III . und der deutschen Adelspartei, die ihn stützte. Kaiser Alexios I . Komnenos von Byzanz hatte erneut um Hilfe gegen die Seldschuken gebeten. Die türkischen Seldschuken, fromme und kriegerische Anhänger des Propheten, hatten seit 1071 weite Teile Anatoliens besetzt, ihr Großreich war aber nach dem Tod des Sultans Malik Schah rasch in kleinere Reiche zerfallen, die sich teilweise befehdeten, so ganz gefährlich waren sie den Byzantinern gar nicht mehr.
    Urban hoffte, die seit langem in Rom verfolgte Idee von der Vereinigung der orthodoxen mit der katholischen Kirche, natürlich zu den Bedingungen des Papstes, endlich durchsetzen zu können. Diese politischen Ziele überhöhte er in seiner Kreuzzugspredigt vom 27 . November 1095 in Clermont mit religiösen Motiven. Ein Ohrenzeuge, Kaplan Fulcher von Chartres, zitiert den Papst wörtlich: »Denn Ihr müsst euch sputen, um Euren im Osten lebenden Brüdern, die Eure Unterstützung brauchen, um die sie oft dringend nachsuchten, Hilfe zu bringen. Denn die Türken, ein persisches Volk, haben sie angegriffen, […] Sie haben immer mehr Länder der Christen an sich gerissen, haben sie bereits siebenmal in ebenso vielen Schlachten besiegt, viele getötet oder gefangengenommen, haben Kirchen zerstört und haben Gottes Königreich verwüstet. […] Und deshalb ermahne ich, nein, nicht ich, ermahnt Gott Euch als inständige Herolde Christi mit aufrechter Bitte, Männer jeglichen Standes, ganz gleich welchen, Ritter wie Fußkämpfer, reiche und arme, wiederholt aufzufordern, diese wertlose Rasse in unseren Ländern auszurotten und den christlichen Bewohnern rechtzeitig zu helfen.«
    Und dann versprach der Papst: »All jenen, die dorthin gehen, ob sie auf dem Landweg marschieren oder übers Meer fahren oder im Kampf gegen die Heiden das Ende dieses Lebens in Gefangenschaft finden, werden ihre Sünden vergeben. Dies gewähre ich all denen, die gehn, kraft der Vollmacht, mit der Gott mich ausgestattet hat.« Nichts möge jene, die sich anschicken zu gehen, aufhalten. Sie sollen ihre Angelegenheiten regeln, Geld anhäufen, und, wenn der Winter vorbei und der Frühling gekommen ist, die Reise unter der Führung des Herrn voll Eifers antreten.
    Geschickt wurde so

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