Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
das Versprechen des Ewigen Heils statt klingender Münze zur Entlohnung von Söldnern genutzt. Adhemar de Monteil, der Bischof von Puy, einer Kleinstadt südlich von Clermont, hatte die Synode gut vorbereitet, das Volk bejubelte die Predigt des Papstes. »Deus lo vult!« – »Gott will es!«, skandierten die Massen. Der Papst ernannte Bischof Adhemar als seinen persönlichen Vertreter zum geistlichen Leiter dieser bewaffneten Wallfahrt. Im Sommer 1097 , genauer am 15 . August, dem Fest Mariä Himmelfahrt, sollte es von Konstantinopel aus losgehen, den Feinden der Christenheit entgegen.
Der Papst hatte nicht vorausgesehen, wie gut seine Kampagne wirken sollte, wie erfolgreich die predigenden Mönche damit waren, beim Volk die Mordlust zu entflammen, die Gier nach Abenteuern und Beute zu wecken. Gleich auf der Stelle wollten viele losziehen, nicht erst bis zum Frühjahr warten. Gerade bei denen, die bisher im Leben zu kurz gekommen waren, die nichts zu verlieren hatten, wirkte die Mission am eindringlichsten. Bald sammelten sich Grüppchen von Kreuzfahrlustigen, von Männern, Frauen und Kindern, bildeten Haufen, vereinten sich zu Menschenmengen in Flandern, in Frankreich, in Burgund und auch in Niedersachsen, geführt von Mönchen und verarmten Rittern. Ein erster Sammelpunkt war Köln und das Mittelrheingebiet. Dorthin zog aus Flandern der Mönch Peter von Amiens, der es gut verstanden hatte, das arme Volk emotional aufzuwühlen mit dem Betrug, sich als Inhaber eines von Christus geschriebenen Briefes auszugeben. Er behauptete, Gott habe ihn mit der Führung des Kreuzzuges beauftragt. Sein Markenzeichen als »Ersatzchristus« war ein Esel, auf dem er ritt, wie es Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem getan hatte. Die Franzosen folgten Walter Sans-Avoir, einem verarmten Adeligen und Abenteurer. Deutsche Bauern versammelte Graf Emicho aus dem Nahegau, auch er ein zweifelhafter Charakter. Ihm sei Jesus Christus selbst erschienen und habe ihm die Kaiserkrone angeboten, wenn er die Ungläubigen vernichte, so schilderte der Graf seinen Leuten seine Berufung. Dieser Führung folgte das leichtgläubige Volk.
Im April setzten sich die ersten Gruppen in Bewegung, von Köln in Richtung Süden, den Rhein aufwärts. Unter den insgesamt vielleicht 80 000 Volkskreuzfahrern werden nicht viele überhaupt nur gewusst haben, in welche Richtung es nach Jerusalem ging und wie weit der Weg bis ins Heilige Land war. Im Mai 1096 erreichten Emichos Leute die Städte Mainz und Speyer, wo große und wohlhabende jüdische Gemeinden lebten. Die »Christusmörder«, wie nicht nur Theologen seinerzeit die Juden bezeichneten, wurden die ersten Opfer von Emichos angeblich göttlichem Auftrag. Die (un)frommen Horden drangen in jüdische Viertel und die Synagogen ein, zerstörten und raubten, was das Zeug hielt. Wahllos wurde massakriert, schwangeren Frauen die Bäuche aufgeschlitzt und selbst Kinder grausam ermordet, wie ein jüdischer Chronist berichtet. Deus lo vult!
Auf unterschiedlichen Wegen gelangten die einzelnen Gruppen an die Donau, an dieser entlang bis nach Ungarn. Plündernd durchzogen sie das Land, ohne größere Zwischenfälle gelangten die verschiedenen Haufen der Kreuzfahrer bis Ende Juni nach Belgrad. Etwa 70 Tagesmärsche von vielleicht 25 Kilometern waren geschafft, gleichwohl erst ein Drittel des Weges nach Jerusalem, das freilich kaum einer der bewaffneten Pilgersleute erreichen sollte. In Belgrad begann das Gebiet des byzantinischen Kaisers, der kaiserliche Stadtkommandant wusste nichts von einem zu erwartenden Kreuzfahrerheer, das seinem Kaiser zu Hilfe kommen sollte, oder er konnte sich nicht vorstellen, dass solche wilden Haufen eine willkommene Hilfe wären. Er ließ die ersten Randalierer verhaften und (nur!) die Rüstungen einiger Ritter am Burgtor aufhängen. Die große Meute der Kreuzfahrer war da gerade in Semlin (heute Zemun), der ungarisch besiedelten Vorstadt von Belgrad, angelangt. Als die Nachricht vom Schicksal der Vorhut zu ihnen drang, plünderten sie den Markt und erschlugen alle Einwohner, derer sie habhaft werden konnten, 4000 Ungarn kamen zu Tode. Die Belgrader flohen entsetzt vor dem Blutrausch der Kreuzfahrer aus ihrer Stadt. Das offene Belgrad wurde dann von den frommen Horden geplündert und in Brand gesteckt. So hatte sich Kaiser Alexios die Hilfeleistung sicher nicht vorgestellt.
Die Byzantiner waren jetzt gewarnt, und als die Kreuzfahrerhorden nach Niš, der nächsten großen Festung, gelangten,
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