Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
ins heilige Köln war die Katharerbewegung schon vorgedrungen, es drohte ein massenhafter Auszug von Gläubigen aus der Kirche. Papst Alexander III . ( 1159 – 1181 ) machte die Unterdrückung irrlehrender, häretischer Bewegungen zum Thema des Dritten Laterankonzils, um sich Rückendeckung von den Bischöfen zu holen. Es wurde beschlossen, dass zukünftig alle Bischöfe verpflichtet waren, in ihrer Region gegen Ketzer vorzugehen. Diese Regelung erwies sich in ihrer praktischen Umsetzung als wirkungslos, weil die Bischöfe in den Katharerzentren schwach waren und der Adel im Languedoc die Gegenkirche unterstützte.
Alexanders Nachfolger, Papst Lucius III . ( 1181 – 1184 ), ergriff erste Kreuzzugsmaßnahmen gegen die Albigenser, wie die Katharer nach der südfranzösischen Stadt Albi auch genannt wurden, und verbündete sich dazu mit Kaiser Friedrich I . Barbarossa. Kirche und Staat teilten sich die Aufgaben der Ketzerverfolgung, die Kirche spürte die Delinquenten auf, klagte sie an und verhängte Kirchenstrafen, anschließend wurden sie der staatlichen Obrigkeit ausgeliefert, die dann den blutigen Teil der Angelegenheit übernahm. Die Theorie, wer Ketzer war und woran man das erkennen konnte, hatte inzwischen einer der angesehensten Theologen der Zeit geliefert. Es war der später heiliggesprochene Alanus ab Insulis, ein Zisterziensermönch, der in Paris und später in Montpellier lehrte. Er hatte etwa um das Jahr 1180 ein Buch geschrieben mit dem Titel De fide catholica contra haereticos (»Vom katholischen Glauben und gegen die Irrlehrer«). Diese Schrift richtete sich nicht nur gegen die Katharer, auch gegen andere religiöse Gruppen, die sich im 12 . Jahrhundert gebildet hatten, die Waldenser, Humiliaten, Beginen, Arnoldisten und etliche mehr.
Die Anliegen dieser »von unten« gewachsenen Bewegungen ähnelten sich. Man misstraute den oft ungebildeten und unmoralisch lebenden Geistlichen. Daraus ergab sich die Forderung, im Klerus Sittenstrenge durchzusetzen, vor allem der Zölibat und ein Leben in materieller Armut sollten den Priester auszeichnen. Als weiteren wesentlichen Punkt wollten die Anhänger dieser Reformideen selbst die Bibel lesen und das Predigen von nicht geweihten Laien zulassen. Die Forderung nach sittenstrengeren Priestern deckte sich mit den Vorstellungen von Bernhard von Clairvaux und seinem Zisterzienserorden, die Ehelosigkeit der Priester wurde schließlich zum Kirchengesetz gemacht. Allerdings sollte es etliche Generationen dauern, bis der Zölibat vollständig durchgesetzt werden konnte. Gerade in Deutschland trauten sich nur drei Bischöfe, ihren niederen Klerikern das römische Dekret über die Verbindlichkeit des Zölibats zu verkünden. Aus heutiger Sicht mag der Umstand erstaunen, dass der Zölibat einmal von Erneuerungsbewegungen zur Hebung der Moral von Priestern gefordert wurde, scheint doch in unserer Zeit für viele liberale Christen der Zölibat eher eine Ursache für priesterliche Unmoral zu sein, statt ihr entgegenzuwirken.
Völlig inakzeptabel hingegen waren für die Kirche solche Forderungen, die direkte Auswirkungen auf die Rollenverteilung von Geistlichen und Laien gehabt hätten. So wäre der klerikale Anspruch auf Besitz der Lehrwahrheit durch Laienpredigten gefährdet worden, oder es hätten durch eigene Bibellektüre bei den Gläubigen »falsche« Gedanken aufkommen können. Das ausdrückliche Verbot der Bibellesung in privaten Zusammenkünften erfolgte 1199 durch Papst Innozenz III . Es war aus Sicht der Kirche jetzt nötig geworden, weil die wohlhabenden Katharer und auch der Gründer der Waldenser, ein reicher Kaufmann aus Lyon, Übersetzungen des lateinischen Bibeltexts, der in katholischen Kirchen und Klöstern in Gebrauch war, in die Volkssprache, also ins Okzitanische und Italienische, finanzierten und sich auch die sehr teure Herstellung von Handschriften leisten konnten. Bis dahin hatte die Kirche aus sprachlichen und ganz praktischen Gründen sowieso das Monopol auf die Verfügbarkeit von Bibeln und theologischer Literatur und damit auf die darauf basierende Lehre gehabt. Die Kirche, die gerade unter Papst Innozenz III ., der sich als erster Papst als »Statthalter Christi« bezeichnete, auf einem Höhepunkt ihres Selbstverständnisses als wichtigste und höchste Institution der Welt angelangt war, reagierte mit Angst und Abwehr auf den sich erst andeutenden drohenden Verlust ihres Lehr- und Wissensmonopols. Hier und da gelang es kirchlichen
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