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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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erklären müssen, wie sie es mit dem Teufel halten will. Der Zwang zur einheitlichen Entscheidung in jeder halbwegs bedeutsamen Glaubens- oder Moralfrage ist nun einmal seit Jahrhunderten in der Struktur der Kirche angelegt. Ein einheitliches, zentrales Lehramt kann eben nur mit einer Stimme sprechen. Und wenn es um Übersinnliches geht, sei es um Heilige oder um Teufel, kann sich das Lehramt dem Druck der Menge längerfristig nicht entziehen. So wie die Dinge liegen, scheint klar, wie hier die einheitliche Lösung aussehen wird, Pater Gabriele, übernehmen Sie! Im März 2009 hat übrigens die Deutsche Bischofskonferenz die lange verzögerte deutsche Übersetzung des 1999 in Rom erschienenen neuen Exorzismus-Rituals vorgestellt.

8.
Erzwungene Einsichten –
Lehrhoheit und Inquisition
     
     
     
     
     
     
     
     
    Schon im Laufe der ersten drei Jahrhunderte hatte die Kirche ein theologisches Lehrgebäude ausgebildet, das nur noch von Spezialisten überblickt werden konnte. Recht früh also sahen sich die kirchlichen Hüter der Wahrheit mit dem Problem konfrontiert, wie sie dieses feingesponnene System gegen Ideen verteidigen konnten, die nicht mit diesem konform gingen. Dieser Wille, die Definitionsmacht über die Inhalte des Glaubens zu beanspruchen und diese auch durchzusetzen, bezeichnet ein Grundcharakteristikum der Kirche. Ganz zu Anfang war sich die entstehende Kirche darüber gar nicht klar. Unbefangen berichtet die Apostelgeschichte, wie die Juden mit dem gleichen Problem umgingen, als die ersten Christen begannen, in den Synagogen aus jüdischer Sicht »Irrlehren« zu verbreiten. Der Schriftgelehrte Gamaliel gewann die Mehrheit der jüdischen Theologen für sich mit dem Argument, dass Gruppen, die sich auf bloß menschliches Gedankengut stützten, ohnedies nicht langlebig seien, sondern bald in Vergessenheit gerieten. Wenn aber doch göttliche Gedanken in der Lehre der frühen Christen steckten, käme man sowieso nicht dagegen an, ja man würde dann gegen Gott kämpfen. Der jüdische Gelehrte Gamaliel war also der Meinung, es sei falsch, »Irrlehren« zu unterdrücken, denn die Wahrheit setze sich am Ende sowieso durch.
    Für einen Juden ist das Problem der »richtigen« Lehre vielleicht nicht so wichtig, denn ob jemand Jude ist oder nicht, hängt davon nicht ab. Eine »multikulturelle« Gruppe, zu der sich die Christen durch ihre Offenheit gegenüber allen Völkern schnell entwickelten, brauchte jedoch eine klare Linie in der Lehre der Glaubensinhalte. Dementsprechend ist die Geschichte des frühen Christentums ein einziges Streiten um die richtigen Glaubensinhalte. Streit an sich muss ja nichts Schlechtes sein, aber nach dem Streit kommt die Frage auf, wie man mit den Gegnern umgeht, die sich nicht durchgesetzt haben. Lässt man sie gewähren und räumt ihnen eine Nische ein, setzt man sie vor die Tür und provoziert damit eine Abspaltung, oder zwingt man sie mit Gewalt zum richtigen Bekenntnis? Gamaliel war gegen die letzte Variante, jedenfalls gegen ihre brutale Durchsetzung. (Um Gamaliel nicht über den grünen Klee zu loben, sei schon noch erwähnt, dass er gegen eine kleine Auspeitschung der Apostel nichts hatte.)
     
     

Die Freiheit des Christenmenschen
     
    Die Kirche folgte nicht Gamaliels Auffassung, dass sich die Wahrheit auch ohne Unterdrückung einer vermeintlichen oder tatsächlichen Unwahrheit durchsetzen würde. Sie machte die Unterdrückung der »falschen« Meinung zur frommen Pflicht, sie begann Zwang auszuüben gegen Menschen, die »falschen« Glaubensvorstellungen anhingen oder diese sogar lehrten. Zunächst blieb der Zwang beschränkt auf die Verhängung von Kirchenbußen oder die Absetzung von einem Amt. Das änderte sich, als das Christentum durch ein Dekret der drei römischen Teilkaiser im Jahr 380 zur alleinigen Staatsreligion wurde und die Kirche praktisch die Stellung einer staatlichen Religionsbehörde erhielt. Umgekehrt lag die Wahrung der Einheit des Glaubens nun auch im staatlichen Interesse, da sie dem inneren Frieden im Römischen Reich förderlich war.
    Das kurze Zeit später durch das Konzil von Konstantinopel ( 381 ) bekräftigte Dekret von 380 legte fest, dass alle Christen an den dreieinigen Gott glauben sollten: Gottvater, Sohn und Heiliger Geist. Den anderen wurde verboten, sich Christen zu nennen, ihnen wurde nicht nur ewige, sondern auch weltliche Strafe angedroht, es erfolgte beim Abfall vom wahren Glauben auch der Verlust aller bürgerlichen Rechte. Das

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