Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Absolventen des Jahres 2005 erstmals eine Frau gehörte, die damals 34 -jährige Alexandra von Teuffenbach. Denn noch ist die Tätigkeit des Exorzierens nur Priestern mit Sonderlizenz ihres Bischofs erlaubt, Männern also, die kraft ihrer Weihe schon irgendwie ein Zipfelchen der jenseitigen Welt in der Hand halten. Sollte der Vatikan gerade hier ein zukünftiges Aufgabengebiet für Frauen sehen? Aber vielleicht hielt der Vatikan diese Zusatzqualifikation nur in diesem speziellen Fall für zweckmäßig, denn Signora Teuffenbach ist im Hauptberuf am Vatikanischen Geheimarchiv tätig, wo es sicher etliche Geister aus der Vergangenheit zu verbannen gilt.
Der heute 85 -jährige Gabriele Amorth, der in seiner Jugend als Partisan gegen Hitler und Mussolini kämpfte und der nach dem Krieg als Stellvertreter von Giulio Andreotti im Vorstand der Jugendorganisation der Democrazia Cristiana saß, erzählt gern und häufig in der Presse von seiner Tätigkeit als Exorzist. Täglich 15 bis 16 Sitzungen mit Menschen, die glauben, der Dienste eines Exorzisten zu bedürfen, halten ihn jung, die Gesamtzahl der von ihm bewirkten »Austreibungen« schätzt er auf über 70 000 . Pater Amorth ist sich sicher, dass satanistische Zirkel selbst im Vatikan existieren. Sein Nachfolger im Amt des Präsdenten der Internationalen Exorzistenvereinigung, Pater Giancarlo Gramolazzo, und auch die Exorzisten der Diözesen New York, James LeBar, und Westminster, Jeremy Davies, sehen den Grund für die steigende Nachfrage nach ihrer Dienstleistung in der Verbreitung von Okkultismus und ungezügelter Sexualität. So weit also die Position der Kirche in Italien, Iberoamerika und in den angelsächsischen Ländern.
In Mitteleuropa und hier vor allem im deutschen Sprachraum gilt das Gegenteil. Die Theologen haben seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil Abschied vom Teufel genommen, wie 1978 der damalige Tübinger Professor Herbert Haag sein Buch zum Thema betitelte. 1976 hatte sich der spektakuläre Exorzismus-Skandal ereignet, bei dem die psychisch kranke Studentin Anneliese Michel im Auftrag ihrer Eltern von zwei Priestern exorziert wurde. Nach 67 »Sitzungen« verstarb Frau Michel an Entkräftung, sie war schlicht verhungert, weil versäumt wurde, sie künstlich zu ernähren. Professor Haags Buch erschien pünktlich zum Strafurteil des Landgerichts Aschaffenburg gegen die beiden Exorzisten und die Eltern von Anneliese Michel. Wegen fahrlässiger Tötung wurden sie zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Seit dem Fall Michel gab es über zwanzig Jahre im deutschen Sprachraum keinen kirchlich erlaubten Exorzismus mehr. Kardinal Lehmann, damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, äußerte noch 2005 gegenüber der Presse, vermeintlich besessenen Personen sei in der Regel auf andere Weise besser zu helfen. Im Mai 2005 war durch Journalisten des WDR öffentlich gemacht worden, dass ein Priester aus der Nähe von München mit Lizenz des damaligen Bischofs von Augsburg Walter Mixa erneut Teufelsaustreibungen durchführte. Mindestens drei Fälle im Gebiet des Erzbistums Paderborn wurden berichtet, zuständiger Erzbischof war Hans-Josef Becker. Der vermutliche Exorzist, ein Priester und Psychotherapeut, steht der »Charismatischen Erneuerung« nahe, einer der neuen geistlichen Bewegungen, die organisatorisch schwer fassbar sind. Dieser Gruppe soll auch der frühere Mainzer Weihbischof Franziskus Eisenbach nahestehen, der im Jahr 2000 wegen letztlich nie genau geklärter Vorwürfe einer Theologin, er habe an ihr einen unerlaubten Exorzismus vorgenommen, auf Druck von Kardinal Ratzinger, seinerzeit Präfekt der Glaubenskongregation, auf das Bischofsamt verzichten musste.
Der kleine Aufruhr in den deutschen Medien, der im Mai 2005 ausbrach, führte dazu, dass sich mehrere Diözesen, so Berlin, München und Würzburg, eilig von der Durchführung von Exorzismen distanzierten. Und der damalige Weihbischof von Chur, der Jesuit Peter Henrici, hielt eine in der Schweiz bemerkte leichte Steigerung der Nachfrage nach Exorzismen für ein »soziokulturelles« Phänomen. Denn es hätten ausschließlich italienische Katholiken danach gefragt. Nun, dann ist ja alles klar, der Teufel ist etwas für die rückständigen Südländer, dagegen werden die verstandesorientierteren deutschsprachigen Katholiken mit einer aufgeklärten Version der Geschichte vom Bösen bedient.
Auf Dauer wird die Kirche diese Doppelstrategie nicht durchhalten können, sie wird schon einheitlich
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