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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Autoritäten, Bibeltexte in der Volkssprache aufzuspüren und zu beschlagnahmen. Im Jahr 1200 beispielsweise schickte der Papst eine Untersuchungskommission nach Metz, die gegen die dort aktiven Waldenser einschritt und die Evangelienübersetzungen öffentlich verbrennen ließ.
    Diese Methode der Unterdrückung anderer Meinungen funktionierte freilich nur in Gebieten, wo die amtskirchliche Struktur stark war und die weltliche Obrigkeit treu zur Kirche stand. In Okzitanien und in einigen Ecken Norditaliens, wo die Katharer – ebenso wie die Waldenser – schon eine örtliche Macht darstellten, brachte ein solches Vorgehen nichts. Auf die regionalen Bischöfe konnte der Papst sich nicht verlassen, also sandte er seine »Geheimwaffe«: Mönche des Zisterzienserordens. Diese sollten in Gesprächen und durch Predigten die Katharer von der Falschheit ihrer Lehre überzeugen und sie in den Schoß der Heiligen Kirche zurückführen. Es reisten also Zisterziensermönche unter Führung von Pierre de Castelnau ins Languedoc und trafen sich mit Katharern zu tagelangen Disputationen, die aber fruchtlos blieben. Auch die Predigten an das gewöhnliche Volk zeigten keine Resonanz, und der okzitanische Adel verharrte in seiner kirchenfeindlichen Position. Es half auch nicht, dass Castelnau solche Bischöfe, die zu lasch im Kampf gegen die Häretiker waren, ihrer Ämter enthob und Adelige exkommunizierte. Am Ende hatte sich der Beauftragte des Papstes im Languedoc bei allen Seiten verhasst gemacht und wurde schließlich im Jahr 1208 ermordet, wohl auf Veranlassung von Graf Raimund VI . von Toulouse. Dessen Urgroßvater, Raimund IV ., sind wir bereits im Kapitel zu den Kreuzzügen begegnet: Der Heerführer des Ersten Kreuzzugs richtete 110 Jahre früher das Massaker von Maarat-an-Numan an, hatte aber wenigstens auf der »richtigen« Seite, nämlich der Seite der Kirche gestanden.
    Die Ermordung seines Gesandten nahm Papst Innozenz III . als Kriegsgrund. Obwohl erst vier Jahre vorher der Vierte Kreuzzug gegen den Islam nicht den vom Papst gewünschten Ausgang genommen hatte, vielmehr die christliche Stadt Konstantinopel von den Kreuzfahrern geplündert worden war, griff Innozenz erneut zu diesem Mittel und rief jetzt zum Kreuzzug gegen die Katharer oder Albigenser auf. Dafür hatte er ein eigenes Modell entwickelt, nach dem die Kreuzfahrer verpflichtet werden sollten. Man könnte es vielleicht als »Pauschalkreuzfahrt« bezeichnen, deren Teilnehmer sich verpflichten sollten, den päpstlichen Anführern – Zisterzienserabt Arnaud Amaury und Simon von Montfort, ein Heerführer aus nordfranzösisch-englischer Familie – für eine Zeit von 40 Tagen zu dienen, um damit für sich persönlich die Befreiung von den ewigen Sündenstrafen zu erhalten. Die Adeligen sollten zusätzlich zum jenseitigen Lohn die von ihnen eroberten Gebiete vom Papst als Lehen verliehen bekommen. Schließlich, so Innozenz’ Auffassung, stehe das Languedoc eigentlich ihm zu und er dürfe deshalb das Land neu verteilen. Tatsächlich versammelten sich 1209 in Lyon etwa 10 000 beutelustige Ritter, um gegen die Ketzer loszuziehen. Durch die Erregung von Angst und Schrecken sollten die Städte, in denen Katharer wohnten, zur Aufgabe bewegt werden. Deshalb wurde gleich am ersten Kriegsschauplatz, der Kleinstadt Béziers, ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. Allerdings lebten ja nicht nur Katharer dort, sodass die Kreuzritter eigentlich die guten Katholiken von den Ketzern hätten unterscheiden müssen, ein Problem, das praktisch nicht lösbar schien. Abt Amaury wird von einem Ordensbruder der Einfall zugeschrieben, die Ritter sollten ruhig alle Einwohner erschlagen, Gott werde die Seinen dann schon erkennen.
    Von den rauchenden Ruinen von Béziers zog die fromme Truppe nach Carcassonne weiter, auch dort wurde zerstört und gemordet. Die Kreuzritter dachten sich noch als besonderes Vergnügen aus, dass 100 Menschen die Stadt lebend verlassen durften, allerdings splitternackt oder, wie es hieß, »bedeckt nur mit ihren Sünden«. Solcher Terror schwächte die Kampfmoral der Katharer und ihrer okzitanischen Sympathisanten, reihenweise öffneten sich die Städte den Kreuzfahrern und lieferten Katharer aus. Einzelne Widerstandsnester hielten sich jedoch hartnäckig. Ab etwa 1212 verlor der Kreuzzug seinen eigentlichen Charakter als kirchlich bestimmter Heerzug, es mischten sich jetzt die Könige von Frankreich und von Aragón aus den üblichen weltlichen Interessen

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