Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
mit genauen Instruktionen über ihre Aufgabe. Die Kosten dieser päpstlichen Inquisition sollten durch die Beschlagnahme der Vermögen von überführten Ketzern bestritten werden. Schon 1229 hatte das Konzil von Toulouse beschlossen, als Häretiker sei anzusehen, wer von der Stimme des Volkes als Häretiker bezeichnet werde oder dessen schlechter Ruf durch ehrenwerte Personen vor dem Bischof bezeugt wurde.
Diese beiden Anordnungen führten folgerichtig dazu, dass Denunziation und Geldgier die Ketzerverfolgung bestimmten. Wer in Verdacht geriet, wurde angeklagt, und wer angeklagt wurde, war praktisch rechtlos. Als Verdachtsgründe genügten schon das private Lesen der Bibel, der Besitz von Bibeltexten in der Volkssprache oder der private Umgang mit anderen Ketzern. Dazu war völlig ausreichend, wenn man zufällig im Wirtshaus an demselben Tisch mit einem späteren Opfer der Inquisition gesessen hatte. Wer es wagte, nach Erhebung der Anklage nicht vor Gericht zu erscheinen, wurde ohne weiteres schuldig gesprochen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als schleunigst zu fliehen, seine Heimat und seinen Besitz zu verlassen, um wenigstens das nackte Leben zu retten. Die nächstbeste Strategie für einen Angeklagten bestand darin, unverzüglich zu gestehen, dass er einer Irrlehre anhing, gleichgültig, ob es stimmte oder nicht. Er wurde dann »milde« bestraft, musste sein Haus verlassen und in eine »ketzerfreie« Stadt umziehen. Nach Verbüßung einer Kirchenstrafe hatte er die Chance, sich vom Papst oder dem päpstlichen Legaten rehabilitieren zu lassen. Das Geständnis musste aber glaubhaft wirken und durfte bei dem Inquisitor nicht den Eindruck erwecken, der Delinquent habe nur aus Furcht vor der Todesstrafe gestanden, sonst wurde Kerkerhaft verhängt.
Anders als die Bischöfe, die die inquisitorischen Verfahren zunächst durchführen mussten, verfügten die Dominikaner über reichlich Personal sowie über die notwendige theologische Bildung, um die Ketzer schon an Kleinigkeiten zu erkennen. So wussten sie etwa, dass Katharer sofort von einer Bank aufsprangen, wenn sich eine Frau dazusetzte. Sie befanden es auch für notwendig, schon längst verstorbenen Katharern im Nachhinein den Prozess zu machen. Also exhumierten und verbrannten sie die Leichen. Binnen weniger Jahre verrohten die Dominikaner aus Toulouse und vergaßen völlig die Prinzipien ihres Gründers, wenngleich sie sich nach wie vor als dessen legitime Erben betrachteten.
Als Dominikus im Jahr 1234 heiliggesprochen wurde, war das folglich im Dominikanerorden ein Freudentag. Feierlich zelebrierten die Brüder die Heilige Messe mit dem Toulouser Bischof Raimund und freuten sich auf ein opulentes Mittagsmahl, als ein Spitzel die Nachricht überbrachte, dass gerade eine todkranke alte Frau sich das Sterbesakrament der Katharer hatte reichen lassen. Die Dominikaner und der Bischof sprangen von der Tafel auf und eilten in das Haus der alten Frau, um sie zu verhören. Über der Erfüllung der frommen Pflicht, das Seelenheil der Armen zu retten, sollte das Festessen freilich nicht zu kalt werden. Schnell war ihr das Geständnis entlockt, das Todesurteil gesprochen und dieses sofort auf dem Scheiterhaufen vollstreckt. Als die alte Frau ihr Leben ausgehaucht hatte, kehrten Bischof und Mönche mit Freude in den klösterlichen Speisesaal zurück und setzten das Festmahl unter Lobpreisungen und Dankgebeten für den heiligen Dominikus fort.
Solches Verhalten führte auch bei den rechtgläubigen Bürgern von Toulouse zu Empörung, und die Dominikaner mussten – allerdings nur für kurze Zeit – die Stadt verlassen. Rom fand die Vertreibung der Dominikaner allerdings völlig unangemessen und exkommunzierte deshalb Graf Raimund VII ., Sohn und Nachfolger des bereits erwähnten gleichnamigen Papstgegners. 1236 konnten die Dominikaner nach Toulose zurückkehren, zu Nutznießern der Affäre wurden andere Orden, insbesondere die Franziskaner, die sich jetzt an dem einträglichen Amt der Inquisition beteiligen durften. Aber die Dominikaner behielten die führende Rolle, ihr Startheologe Thomas von Aquin, der bis 1273 mit der Summa theologia (»Die gesamte Theologie«) die wissenschaftliche Theologie begründet hatte, lieferte auch die Legitimation der Todesstrafe für Häretiker. Er verglich die Häresie mit der Münzfälscherei, und da er die Fälschung des Glaubens für mindestens so schlimm hielt wie die Fälschung von Münzen, die schon lange mit dem Tode bestraft wurde,
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