Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
richtete sich vor allem an die Adresse des Arianismus und des Donatismus, zwei antike Konfessionen, die jeweils über eine stattliche Zahl von Anhängern verfügten. Die Arianer glaubten nicht an die Dreifaltigkeit, für sie war nur der Vater, hingegen nicht der Sohn Gott. Die Donatisten waren moralisch streng, sie wollten jeden Sünder aus der Kirche ausschließen, extreme Anhänger dieser Richtung aus Nordafrika übten fanatischen Glaubensterror gegen Geistliche und gegen wohlhabende Christen aus. Eine ähnlich friedensstörende Wirkung befürchteten die Römer wohl von einer streng religiösen Gruppe in Nordspanien, die sich um ihren Gründer, den 340 geborenen Theologen Priscillian, gebildet hatte. Auch dieser lehrte, dass nur mit Enthaltsamkeit das Reich Gottes zu erlangen sei, und verlangte konsequent die Ehelosigkeit der Priester. Damit machte er sich bei den Angehörigen des Klerus, die üblicherweise damals verheiratet waren, keine Freunde, sie zeigten ihn wegen Abweichung von der wahren Lehre an. Priscillian wurde schließlich 385 am Hof des Kaisers Magnus Maximus in Trier auf die Anklage von drei Bischöfen hin, darunter des später heiliggesprochenen Rufus von Metz, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die damalige römische Kaiserstadt Trier trägt deshalb das unselige historische Erbe, dass in ihren Mauern erstmals ein Christ wegen vermeintlich falscher Glaubensansichten von anderen Christen getötet wurde. Erstmals war auf der Grundlage des Dekrets von 380 ein Mensch zum Tode verurteilt worden. Dieses Dekret, das nach seinen Eingangsworten Cunctos populos (»Allen Völkern«) benannt wird, blieb bis in das Zeitalter der Reformation in Kraft und diente der Kirche im Mittelalter als juristische Grundlage für die Inquisition.
Die Inquisition, in deren Name heute noch Angst und Schrecken nachhallen, die sie generationenlang erzeugt hat, sollte allerdings erst Jahrhunderte nach der Spätantike das Licht der Welt erblicken. Denn erst musste die Kirche selbst zum Staat werden und sich dann über alle anderen Staaten erheben, ehe sie ein solches Machtinstrument schaffen konnte. Ein Machtinstrument, das sie sonst kaum gebraucht hätte, denn es richtete sich im Wesentlichen nur gegen Menschen, die sich aufgrund der Verweltlichung der Kirche und ihrer Diener vom Glauben – zumindest in seiner offiziellen Ausprägung – teilweise abgewandt hatten.
Seit dem ersten Sündenfall, dem Mord an Priscillian im Jahr 385 , gab es in den nächsten paar Jahrhunderten nur einzelne Fälle, in denen Menschen mit der Kirche wegen ihres »falschen« Glaubens in Konflikt gerieten, meist waren es Wanderprediger, die den örtlichen Klerus geärgert hatten. Diese wenigen Fälle konnten ohne besondere Organisation von den zuständigen Bischöfen im Sinne der Kirche »geklärt« werden. Nach der Jahrtausendwende erst sollte sich das ändern.
Kreuzzug gegen die Ketzer
Ab dem 10 . Jahrhundert entstanden im Süden und Westen Europas neue religiöse Ideen, die der Lehre der Kirche zuwiderliefen. Von Bulgarien ausgehend verbreitete sich im Byzantinischen Reich die Bewegung der Bogomilen, die einen religiösen Dualismus vertrat. Vermutlich ebenfalls aus Bulgarien gelangte diese eigentlich uralte Vorstellung nach Mitteleuropa, dass es eigentlich zwei Götter gebe: neben dem reinen, guten Gott noch einen, der für die Schöpfung der bösen Welt zuständig sei. Der guten Seite musste der Gläubige sich im praktischen Leben möglichst nähern, also weitgehend Verzicht auf alle Freuden des Lebens leisten und nach Vervollkommnung streben. Die Amtskirche galt als Werk des Teufels, pflegten ihre Vertreter doch offensichtlich einen sittenlosen, weltlichen Lebensstil. Die neue Bewegung gewann Zulauf in Oberitalien, in Südfrankreich und im Rheinland. Es gelang ihren Anhängern, eine eigene kirchliche Struktur aufzubauen. Und schon 1167 trafen sich die Vertreter der neuen Kirche der Katharer, wie sie genannt wurden, um auf der Burg von Saint-Félix-Lauragais in den Pyrenäen ein Konzil abzuhalten. Die Leitung übernahm ein bulgarischer Pope, der Bogomile Nicetas, vielleicht war er wirklich Bischof in Konstantinopel gewesen, wie römische Quellen behaupten. Das Konzil regelte Organisationsfragen, es wurden vorhandene Bistümer abgegrenzt und für den Norden Frankreichs ein eigener Bischof bestellt. Der nunmehr offene und von einem Teil des okzitanischen Adels unterstützte Aufbau einer Gegenkirche musste in Rom Alarm auslösen.
Bis
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