Schwarzbuch ÖBB
österreichische Verkehrsminister Hubert Gorbach eine Summe von sechs Milliarden und brachte erstmals auch die Finanzierungskosten ins Spiel – weitere drei Milliarden Euro. Denn das Geld für den Tunnelbau lag ja nicht auf dem Sparbuch, sondern musste zur Freude der Banken als Kredit aufgebracht werden.
Im Juni 2006 versicherte einer der vehementesten Lobbyisten des Tunnels, der ehemalige BBT -Chef und Tiroler Verkehrslandesrat Hans Lindenberger: »Die Kosten des Brenner-Basistunnels – 4,5 bis fünf Milliarden Euro – halten.« Offenbar hatte er übersehen, dass Kollege Gorbach ein Jahr zuvor bereits eine höhere Summe genannt hatte.
2007 erklärte Hubert Rauch, Bürgermeister in Steinach am Brenner und Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, der Tunnel werde nur sechs Milliarden kosten. Werner Faymann, damals Verkehrsminister und heute Bundeskanzler, bestätigte diese Zahl.
Drei Jahre später, Anfang 2010, bezifferte die Europäische Kommission die Gesamtkosten mit 7,46 Milliarden Euro. Ab diesem Zeitpunkt gingen die Prognosen auseinander oder besser gesagt durcheinander, und jeder nannte je nach Interessenlage eine andere Zahl. Der nunmehrige BBT -Chef Konrad Bergmeister verkündete 2010, der Tunnel werde 9,7 Milliarden Euro kosten. Das österreichische Verkehrsministerium wiederum kalkulierte mit acht Milliarden Euro – ohne Finanzierungskosten.
Wir bauen, Sie zahlen
Im Mai 2010 stellte Verkehrsministerin Doris Bures wegen der angespannten österreichischen Budgetsituation die Finanzierbarkeit des Tunnels generell in Frage. Worauf BBT -Chef Konrad Bergmeister sofort Einsparungsmöglichkeiten in der Höhe von 800 Millionen Euro auf den Tisch legte. Daran sieht man, wie großspurig solche Projekte von Anfang an geplant werden – nach dem Motto: »Wir bauen, Sie zahlen!« Und dass es problemlos möglich ist, alles zu verkleinern.
Im Mai 2013 konnte man auf der Homepage der BBT lesen, dass die Kosten mit 8,585 Milliarden kalkuliert werden und dass die EU 27 Prozent Subvention beisteuern wird. Auf derselben Homepage wurde dann jedoch ein Betrag genannt, der einem EU -Anteil von 33,4 Prozent entspricht. In Euro umgerechnet besteht zwischen diesen beiden Prozentsätzen immerhin ein Unterschied von 540 Millionen Euro. Aber bei diesem Projekt spielen Zahlen sowieso keine große Rolle.
So oder so, am Ende wird der Brenner-Basistunnel wohl sehr viel mehr als zehn Milliarden Euro verschlingen, wobei die Österreicher hoffen, dass die EU vierzig Prozent der Kosten übernimmt und sich Österreich und Italien die restlichen Kosten teilen. Ob allerdings die EU und Italien das bezahlen können, ist angesichts der momentanen Wirtschaftslage und Budgetprobleme fraglich.
Ursprünglich rechnete die Tunnelbetreiberfirma BBT auch mit einer Beteiligung privater Investoren. Davon ist schon lange keine Rede mehr, denn kein Privater steckt Geld in ein Projekt, bei dem nur Schulden und immer neue Schulden zu erwarten sind.
Phantasieverkehr
Ähnlich phantasievoll wie die Kostenschätzungen waren auch die Voraussagen für den zu erwartenden Verkehr am Brenner. Sie basieren auf Studien der schweizerischen Beratungsfirmen Prognos und Progtrans und bilden die Grundlage für Baugenehmigungen und Finanzierungen des Tunnels.
Mehr oder weniger Züge
In der ersten Studie wurde angenommen, dass die Zahl der Fernzüge über den Brenner von 2003 bis 2010 von sechzehn auf 46 steigen wird. Da wir nun schon das Jahr 2013 schreiben, können wir überprüfen, wie realistisch diese Aussage war. Laut ÖBB -Fahrplan fuhren Anfang 2013 auf der Strecke München–Brenner–Mailand insgesamt nur dreizehn Schnellzüge. Das sind also um drei weniger als die sechzehn, die im Jahr 2003 fuhren. Folglich haben wir es beim Fernverkehr über den Brenner nicht mit einer Zunahme von 290 Prozent, sondern einem Rückgang um zwanzig Prozent zu tun.
Offenbar nehmen Reisende, die von München aus mit der Bahn nach Mailand fahren, lieber den Umweg über die Schweiz (neun Züge) als über den Brenner (sieben Züge), oder sie benützen das Flugzeug. Und das, obwohl seit Anfang dieses Jahres eine schnelle neue Bahnstrecke im Tiroler Unterinntal eröffnet wurde und die Fahrt über die Schweiz eine Stunde länger dauert.
Diese Zahlen zeigen jedenfalls, dass die Prognosen der Tunnel-Betreiber ungefähr so ernst zu nehmen sind wie die von Meinungsforschern vor Wahlen.
Wie viele Reisende?
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man sich die vorausgesagte Steigerung der
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