Schwarzbuch ÖBB
-Holding AG wird diese Zahl angeführt.
Leider ist das nur die halbe Wahrheit. Denn in der online abrufbaren Pünktlichkeitsstatistik der ÖBB liest man auch, dass im Fernverkehr – also beispielsweise bei Zügen zwischen Wien und Salzburg oder Salzburg und Innsbruck – nur 86,2 Prozent aller Züge pünktlich sind. Das ist eine nicht ganz unwesentliche Information, aber Bilanzen sind halt dazu da, um schöne Zahlen zu präsentieren.
Schöne Zahlen
Pünktlichkeit ist bei den ÖBB eine dehnbare Angelegenheit. Offiziell heißt es, dass Züge mit Verspätungen von bis zu fünf Minuten noch als pünktlich gelten. In Wirklichkeit ist es jedoch so, dass eine Verspätung erst nach 5:29 Minuten als Verspätung gewertet wird. Das ist zwar nur ein Unterschied von einer halben Minute, aber es zeigt, wie schlawinerisch die ÖBB mit dieser Statistik umgehen. Zum Vergleich: Bei den schweizerischen Eisenbahnen gilt bereits eine Überschreitung von drei Minuten als Verspätung im gesamten Lauf. Bei den ÖBB hingegen werden nur Ausgangs- und Endbahnhof bewertet.
Ausgefallene Züge fallen aus der Statistik
Züge, die komplett ausfallen, werden von den ÖBB überhaupt nicht in die Statistik aufgenommen. Laut Fachzeitschrift Eisenbahn aktuell gelten bei den ÖBB Züge mit mehr als zwanzig Minuten Verspätung als »ausgefallen« und werden ebenfalls nicht in die Statistik aufgenommen. Die ÖBB bestreiten das allerdings. Sie weisen darauf hin, dass täglich nur 0,34 beziehungsweise 0,50 Prozent aller Züge ausfallen und deshalb für die Statistik sowieso nicht von Bedeutung seien.
Die Fahrzeitreserve
Die wichtigste Methode, um hohe Pünktlichkeitswerte zu erreichen, sind sogenannte »Fahrzeitreserven«, die bei der Erstellung von Fahrplänen berücksichtigt werden. Fahrzeitreserven sind dazu da, um unvorhergesehene Ereignisse, die zu langsamerem Fahren oder ungeplanten Zwischenstopps zwingen, aufzufangen und trotzdem noch pünktlich anzukommen. Normalerweise sind das etwa sieben Prozent, die bei allen Fahrzeiten aufgeschlagen werden.
Ein Beispiel: Laut Fahrplan benötigt der Railjet für die Strecke von Wien nach Salzburg zwei Stunden und 22 Minuten. Sieben Prozent Fahrzeitreserve bedeutet, dass er für diese Strecke normalerweise zehn Minuten weniger brauchen würde – also nur zwei Stunden und zwölf Minuten. Für länger dauernde Bauarbeiten werden zusätzlich noch entsprechende Fahrzeitzuschläge eingearbeitet. Für kleinere Baustellen oder andere Hindernisse, die den Railjet verlangsamen, kann er im Verlauf der Fahrt die im Fahrplan bereits berücksichtigte Fahrzeitreserve aufbrauchen und kommt deshalb pünktlich in Salzburg an.
Zählt man beides zusammen – die Fahrzeitreserve von zehn Minuten und die Toleranz von fünfeinhalb Minuten, um die sich der Zug verspäten darf, bis er als verspätet gilt –, dann sind es also insgesamt 15,5 Minuten, die der Railjet zwischen Wien und Salzburg verbummeln darf, bis er offiziell als »verspätet« gewertet wird.
Ein eleganter ÖBB-Trick
Zur weiteren Verschönerung der Pünktlichkeitsstatistik verwenden die ÖBB noch einen besonders eleganten Trick. Dabei werden gängige Fahrzeiten für Strecken, auf denen es zeitweise sehr häufig zu Verspätungen kommt, einfach um einige Minuten verlängert und in den neuen Fahrplänen festgeschrieben. Die Züge brauchen dann halt einfach länger als früher. So werden aus Zügen, die ständig Verspätung haben, pünktliche Züge.
Ein Beispiel für diese Methode: Für den Railjet wurde die Fahrzeit von Wien nach Salzburg zeitweise – von 2011 bis Ende 2012 – um neun Minuten verlängert. Seit Ende 2012 ist dieser Zug jedoch bedeutend schneller geworden.
Meine ganz private Pünktlichkeitsstatistik
Meine eigene Statistik sieht wesentlich schlechter aus als die offiziell von den ÖBB verkündete. Zwischen Dezember 2012 und April 2013 waren zwei Bahnreisen von Wien nach Venedig und retour sowie eine Reise von Wien nach Dornbirn und retour pünktlich. Bei fünf weiteren Reisen gab es jedoch Probleme mit der Pünktlichkeit. Meine Statistik: Bei sechs von dreizehn Bahnfahrten gab es Verspätungen von mindestens sechs Minuten. Das entspricht einer Pünktlichkeit von 54 Prozent – weit entfernt von der offiziellen ÖBB -Statistik.
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