Schwarzbuch ÖBB
Güterverkehr benutzt werden.
Damit wird der Personenfernverkehr über eine Strecke von 200 Kilometern von Kufstein bis Verona unter die Erde verbannt, während die Güter oberhalb fahren dürfen. Fraglich ist, ob die Reisenden eine so unattraktive Strecke überhaupt benutzen wollen. Wurde der Tunnel von Leuten geplant, die nicht gerne mit der Eisenbahn fahren?
2016 soll mit dem Bau der Hauptstollen begonnen werden, 2025 soll der Tunnel fertig sein, und ab 2026 sollen Züge fahren.
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Falsche Zahlen
Was auffällt: Von Anfang an argumentierten die Befürworter mit Zahlen, die dazu dienten, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. Es gab falsche Zahlen über die Kosten, den Verkehrsbedarf, die Dauer der Bautätigkeit und den Zeitpunkt der Eröffnung. Das ist der rote Faden, der sich durch fast alle österreichischen Tunnelprojekte zieht.
Und wenn irgendwann die Bautätigkeit tatsächlich in Gang kommt, ist das Projekt meist nicht mehr zu stoppen – auch dann nicht, wenn sich herausstellt, dass die Zahlen von Anfang an falsch waren. Dann heißt es: Jetzt haben wir schon so viel Geld verbaut, jetzt wäre es verrückt, wieder aufzuhören.
Was ebenfalls auffällt: Wenn es um Tunnelbauten geht, scheinen alle Beteiligten Wert darauf zu legen, möglichst viele Milliarden auszugeben. Das Standardargument lautet: Das ist eine hervorragende Investition in die Zukunft.
Wenn es hingegen um die Finanzierung von Schulen, Kindergärten, Universitäten und die Forschung geht oder um die Erneuerung veralteter Spitäler, fängt die Politik an zu knausern und um ein paar Millionen zu streiten.
Die Wunderformel
Man braucht lange, um herauszufinden, wie es möglich ist, dass vernünftige Menschen wie Bauingenieure und Verkehrspolitiker dem Tunnelwahn verfallen. Vielleicht hat es mit einer Formel zu tun, die in der zweisprachigen Projekt-Präsentation der Betreiberfirma BBT (Brenner-Basistunnel) enthalten ist. Sie trägt keine Jahresangabe, stammt aber vermutlich aus dem Jahr 2004.
Geheimnisvolle Zeichen
Welchen Sinn verkörpert diese Formel? Einiges wird in der Projekt-Präsentation erläutert, anderes bleibt im Dunkeln. Jedenfalls geht es dabei um den Nutzen des Tunnels für die Bevölkerung. Bei schlichten Gemütern erweckt die Formel den Anschein von Wissenschaftlichkeit und Genauigkeit. Ist t wohl eine Abkürzung und steht vielleicht für Tirol oder Temperatur oder Zeit, i für Innsbruck oder Italien oder die Zahl eins? Rückfragen blieben unbeantwortet.
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SC ist ein Code für den »Mehrgewinn des Benutzers«.
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SP ist ein Code für den »Mehrgewinn des Herstellers«.
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E ist ein nicht näher erläuterter »externer Faktor«.
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r drückt den »sozialen Diskontsatz« aus – was auch immer damit gemeint ist.
Jedenfalls ermittelte die BBT mit Hilfe dieser Formel den »sozialen Mehrwert« des Tunnels, wobei sich – Hokuspokus – bei einem »sozialen Diskontsatz von null Prozent« ein »sozialer Mehrwert« von 11.388 Millionen Euro ergibt. Alles klar?
Vergleicht man diesen Betrag nun mit den »geschätzten wirtschaftlichen Kosten der Investition« – 2589 Millionen Euro –, die sich dadurch ergeben, dass »die Komponente Verlagerung« von den finanziellen Kosten abgezogen wird, dann – Hurra! – haben wir das gewünschte Ergebnis – den »aktuellen wirtschaftlichen Nettowert« (= VANE ) in der Höhe von 8530 Millionen Euro. Oder anders und ganz simpel mit den Worten der BBT ausgedrückt: »Die Realisierung des Projekts steigert das Wohlbefinden der Bevölkerung!«
Reelle Werte mit Diskontfaktoren
Offenbar fiel die Entscheidung zum Bau des Brenner-Basistunnels auf der Basis derartiger Hokuspokus-Berechnungen. Kein Wunder, dass uns BBT -Lobbyisten und Verkehrspolitiker jedes Jahr neue Zahlen und Fakten auftischten.
Und uns weismachten, es handle sich um »reelle Werte mit Diskontfaktoren, die sich auf reelle Zinssätze« stützen. So lautet, ganz ohne Ironie, eine Erläuterung zur Formel vom »sozialen Mehrwert«.
Chronik der Kostenexplosion
Von Anfang an waren sich Österreicher und Italiener darüber einig, dass man sich die Kosten für den Brenner-Basistunnel teilen würde.
2002 gab es im Generalverkehrsplan eine erste Schätzung. Der österreichische Anteil sollte 1,45 Milliarden Euro kosten. Daraus konnte man auf Gesamtkosten von 2,9 Milliarden schließen. 2004, im österreichisch-italienischen Staatsvertrag, waren es dann schon vier Milliarden. 2005 nannte der
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