Schwarzbuch ÖBB
etwa fünfzehn Minuten. Hätte man die Bahnhofshalle samt Auf- und Abgängen auf halber Länge der Bahnsteige gebaut – also in der Mitte –, würde sich die Gehlänge der Reisenden deutlich verkürzen. Offenbar wollte man das nicht.
Wo ist die Milliarde?
Der zweite Zugang zu den Bahnsteigen erfolgt über eine Haltestelle der Straßenbahnlinie D . Sie liegt in einer Unterführung, die sich auch als Kulisse für einen Gruselfilm eignen würde. Die aus dem Stadtzentrum kommende Straßenbahn hält außerdem nicht vor dem Aufgang zu den Bahnsteigen, sondern bleibt etwa dreißig Meter davon entfernt stehen. Von hier aus muss man etwa 350 Meter zu Fuß gehen, um einen Regionalzug zu besteigen. Hat man den Bahnhof zu Fuß durchmessen, fragt man sich, wo die Milliarde geblieben ist, die hier angeblich verbaut wurde.
Wiener Politik
Der Wiener Hauptbahnhof scheint von Anfang an ein ungeliebtes Kind der Wiener Politik gewesen zu sein. Deutlich erkennbar ist das bei der Anbindung des öffentlichen Verkehrs. Schon beim Bau der U-Bahn-Linie 1 ließ man den Vorgängerbahnhof »Süd« links liegen und führte die Strecke daran vorbei. Bahnreisende mussten eineinhalb Kilometer zu Fuß gehen. Beim neuen Hauptbahnhof weigerte sich der damalige Stadtrat Rudolf Schicker erneut, die U-Bahn direkt anzubinden. Und das, obwohl der Bund beim Bau der U-Bahn die Hälfte aller Kosten trägt.
Die Stadt sträubte sich auch gegen eine Namensänderung von »Südtiroler Platz« auf »Hauptbahnhof«. Begründet wurde dies mit dem Argument, der bestehende Name sei den U-Bahn-Benutzern geläufig. Erst nach langem Hin und Her konnte man sich auf den Doppelnamen »Südtiroler Platz–Hauptbahnhof« einigen.
Bahnhof Wien Praterstern
Der Bahnhof Praterstern wirkt modern, freundlich und großzügig, weist aber zwei grundlegende Fehler auf: Erstens ist er viel zu breit – 68 Meter für fünf Gleise ist ein unnötig teurer Luxus. Im Vergleich dazu ist der neue Wiener Hauptbahnhof nur fünfzig Meter breit, aber mit der doppelten Anzahl an Gleisen bestückt. Zweitens ist die Voll-Überdachung über den Gleisen viel zu kurz und zieht sich nur über 110 der 210 Meter langen Bahnsteige. Dadurch sind die Passagiere vor Wind und Wetter teilweise ungeschützt. Wäre der Bahnhof schmaler, hätte man sich ohne Mehrkosten eine Voll-Überdachung der Bahnsteige leisten können.
Diese Fehlplanung verursacht nicht nur mangelnden Komfort bei den Reisenden, sondern auch erhöhte Betriebskosten. Denn im Winter müssen die nicht geschützten Bahnsteigbereiche von Schnee und Eis gesäubert werden.
Die ÖBB erklären dazu, dass eine komplette Überdachung laut einer Kosten-Nutzen-Analyse keinen signifikanten Mehrwert für die Kunden gebracht hätte. Die Bahnsteige seien deshalb breiter als üblich, weil die bestehenden, alten Brückentragwerke weiterverwendet wurden und dies zu weniger Umbauten und damit geringeren Kosten geführt habe. Bei Verschmälerung der Bahnsteige hätte der ganze Praterstern großflächig umgebaut werden müssen.
Bahnhof Tullnerfeld
Bereits Mitte der 1990er Jahre wurde über eine neue Bahnstrecke von Wien nach St. Pölten verhandelt. Dabei gelang es Niederösterreich, auf Kosten des Bundes allerhand Sonderwünsche unterzubringen. Zum Beispiel eine Linienführung, die zwischen den beiden Hauptstädten einen weiten Bogen in Richtung Norden beschreibt und deshalb etwa zehn Kilometer länger ist als eine annähernd gerade Verbindung. Das verursacht natürlich höhere Kosten; vor allem deshalb, weil die Strecke teilweise untertunnelt ist.
Zwanzig Millionen für 500 Pendler
Niederösterreich wünschte sich außerdem auf halber Strecke dieser schnellen Fernverkehrsverbindung einen neuen Bahnhof – in einem Niemandsland ohne menschliche Ansiedlungen und ohne Anschluss an öffentlichen Verkehr. So entstand Tullnerfeld für den Nahverkehr. Erst nach der Eröffnung wurde auch eine Haltestelle für Busse errichtet.
Der neue Bahnhof wird von etwa 500 Pendlern benutzt, die meist einzeln aus der näheren und ferneren Umgebung per PKW anreisen und dann mit der Bahn nach Wien oder St. Pölten zur Arbeit fahren.
Park & Ride heißt das Konzept. In der Früh mit dem Auto zum Bahnhof fahren, dort parken, in den Zug umsteigen und abends wieder retour fahren.
Allein der Bahnhof kostete rund zwanzig Millionen Euro. Das sind 40.000 Euro pro Pendler. Niederösterreich schaffte es auch, auf diesem Provinzbahnhof einen Halt für Schnellzüge der ÖBB und der privaten
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