Schwarzbuch Scientology
S. 294)
Die Sea-Organisation geht also an Land. In Clearwater/Florida wird Mitte der 70er Jahre ein großes Gebäude, ein ehemaliges Hotel, gekauft. Das Harrision-Hotel ist heute eine der Zentralen der Sea-Org. Die Richtlinien, die auf den Schiffen galten, gelten nun auch in den Landbasen in den USA und in Europa.
Dieses bedeutet für alle, dass sie den gestrengen Sea-Org-Mitgliedern zu gehorchen haben. Für Kinder bedeutet dieses, dass sie genauso zu handeln haben und so behandelt werden wie Erwachsene. Denn Hubbard hat sich darum gekümmert, dass in der strengen Eliteeinheit das Heranwachsen einer gehorchenden Einheit geregelt ist. Die Sea-Org kennt die Ausbildung von Kindern als Sea-Org-Mitglieder, aber auch eine von Hubbard besondere geschaffene Gruppe,
die so genannten Kadetten. Wie bei ihm nicht anders möglich, wird ein Begriff kreiert, wer Kadett ist, ist kein Kind mehr. Der FLAG-Befehl 760 vom 25. Mai 1968 liefert unter dem Titel »Kadetten, Untertitel Kinder« folgende verbindliche Definition:
Jedes Kind, das seinen Prüfbogen Mannschaftsstatus II,Vollmatrose oder Maschinenraum, erfolgreich erledigt hat und einen Posten in der Sea-Org hat und gute Ethik-Aufzeichnungen vorweisen kann, wird ab jetzt nicht mehr allgemein als »Kind« bezeichnet, sondern als KADETT.(Großschreibung im Original, d.Verf.): Das Wort »Kinder« darf nicht verwendet werden, um sie zu bezeichnen, da es ein allgemeiner Ausdruck ist. Wenn Kinder anwesend sind, werden sie als Kinder eingeordnet, was Kadetten jedoch nicht einschließt. Kinder sind Personen, die keine Prüfbögen erledigt haben und keine bezahlten Posten in der Sea-Org innehaben … Ein Kadett hat einen Rang, der dem gemeinen Matrosen oder dem Motorenhelfer entspricht.
Ehemaligen Anhängern mit Sea-Org-Erfahrung sind die gesonderten Kadettenschulen bei ihren Aufenthalten aufgefallen. Ein Bericht aus der Sea-Org-Abteilung Kopenhagen schildert, dass die Kinder nicht älter als sieben Jahre waren und beobachtet wurde, dass diese Kadettenanwärter, um ein wenig Taschengeld zu erhalten, bis spät in die Nacht Kuchen gebacken haben, um diese an die Sea-Org-Mitglieder zu verkaufen. Kindgerechte Erziehung sieht anders aus.
In der Vergangenheit stand immer mal wieder das Familienleben in der Sea-Org in öffentlicher Kritik. Denn selbstverständlich können auch ganze Familien ihr irdisches
Leben aufgeben und sich für die Langzeittätigkeit in der Sea-Org anwerben lassen. Eine Zeitlang wurden die so genannten Familienzeiten in der Sea-Org diskutiert, die das Zusammensein zwischen Eltern und Kindern regeln sollten. Von der Scientology-Organisation, wenn irgend möglich immer dementiert, gibt allerdings eine Anweisung Hubbards eher denen recht, die ein Familienleben der Sea-Org-Mitglieder nicht erkennen konnten.
Verantwortlich für die »Betreuung« der Kinder sind Gouvernanten. Die Aufgabenstellung dieser Position ist im FLAG-Befehl 1630 vom 3.12. 1968 niedergelegt:
Der Posten der Gouvernante wird für Kinder eingerichtet, die keine Kadetten sind und über sechs Jahre alt sind oder nach der Festlegung durch den Kapitän. Ein Kind ist jemand, der kein Orgoder Schiffsamt ausüben kann. Es wird nicht auf der Gehaltsliste geführt … Kinder müssen mindestens 10 Stunden täglich lernen. Sie dürfen nicht unkontrolliert das Schiff durchstreifen. … Jedes Kind unter 6 Jahren ist als »Kleinkind« oder »Baby« zu bezeichnen … Die Gouvernante ist voll für die Handlungen, das Benehmen und die sittliche Gesinnung der Kinder verantwortlich … Die Gouvernante darf die ihr anvertrauten Kinder nach ihrem Ermessen schlagen oder züchtigen.
Alle Macht der Gouvernante, zu den Eltern nur ein knapper Satz:
Ihre Kleidung und ihr Unterhalt werden von den Eltern bezahlt. Sie nehmen ihre Mahlzeiten gemeinsam ein und dürfen nicht ins Kinderzimmer.
Das klingt doch sehr nach Abgabe der elterlichen Sorge an die Sea-Org-Verantwortlichen.
Ob in den USA, in England oder Dänemark, für die Erwachsenen steht der Drill in der Elite genauso bevor wie für die Kinder und Jugendlichen. Denn wenn Jugendliche in die Sea-Org gelockt werden oder von den Eltern suggeriert bekommen, wie stolz sie wären, ein Kind zu haben, das dort lebt und arbeitet: Es erwartet sie alle das oder Ähnliches, was 1997 in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zu lesen war:
Auf Tanya warten acht bis zehn Stunden Arbeit am Tag, dazu fünf Stunden Studium der Hubbard’schen Schriften.Vor Mitternacht kommt sie selten ins
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